Mehr als eine Zeitrechnung


612 Minuten, das sind 10 Stunden und 12 Minuten. Was macht man in 10 Stunden? Der Nachtdienst dauert 10 Stunden. Meist komme ich abends ein paar Minuten früher zum Dienst, um mich in Ruhe umziehen zu können, und damit die Dienstübergabe nicht so eilig abgehandelt werden muss. 10 Stunden und 12 Minuten kann ich also getrost als die Dauer meiner Nachtwache ansetzen.
Wie ich darauf komme? Ich vollführe gern solche Rechnungen, um einen Zeitraum fassbarer zu machen, den ich mir sonst schwer vorstellen kann. Denn es ging nicht um 612 Minuten sondern um 612 Monate oder 51 Jahre. Heute Abend im Nachtdienst kann ich daran denken. Jede Minute werde ich dann einen Monat älter, und wenn ich nach Hause gehe, werde ich 51 Jahre alt sein. Genaugenommen 51 Jahre und eine Nacht.
Schon verrückt: Wenn etwa alle zwei Sekunden ein Tag verginge, dann liefe meine Lebensuhr doch schon seit 10 Stunden und 12 Minuten! Ich mag solche Rechnungen. Aber richtig vorstellbar ist es trotzdem nicht, so alt geworden zu sein.
Manchmal zweifle ich daran, ob es ein und dasselbe Leben war oder nicht vielmehr einige Leben waren, die sich aneinanderreihten, bzw. ineinander übergingen. Bin ich noch das Kind von damals, der Jugendliche, der junge Mann? Diese Figuren meines Lebens sind unwiderruflich Vergangenheit. Man könnte sogar sagen, dass sie starben. Was bleibt, ist das „Ich“ mit den Erinnerungen, das staunend beim Durchstöbern alter Photos denkt: Bin ich das? Bin ich das wirklich? Wer schaut mir da entgegen? Könnte diese Person aus dem Photo heraustreten, ich glaube, sie würde in Ohnmacht fallen, wenn sie mich sähe. Nein, nicht weil ich so schlimm ausschaue, sondern weil ich ihr Opa sein könnte. Niemals dachte ich, so alt zu werden. Dabei sind 51 Jahre in einer überalterten Gesellschaft wie der unseren kein Alter. Viele Männer haben noch mal Hummeln im Arsch. Und erst mal Frauen um die Fuffzig – wow! - einige gehen ab wie Raketen!
Wie auch immer – ich bin nicht mehr der junge Mann. Eine neue Figur* nimmt langsam Besitz von mir. Wie soll ich diese Figur nennen? Ein Mann im besten Alter – lach! Es ist ja nicht so, dass man aufwacht und plötzlich ein anderer ist. Oft ist es ein schleichender und quälender Prozess, in dem sich die Identifikation ändert. Vom Kind zum Mann wurde man verhältnismäßig schneller. Nicht umsonst redet man von der Midlife-Crisis. Keine ganz einfache Lebensphase.
Uff! Heute fühle ich mich, als hingen die Jahre wie ein schwerer Rucksack an mir.
Die Sonne lacht zu mir in die Bude. Sie altert in anderen Dimensionen. Für sie ist ein Menschenleben kaum eine Sekunde. Ich kratze den Rest Schlaf aus meinen müden Augen und klopfe mir selbst auf die Schulter: „Alter Hund! Alles Gute!“


* Randnotiz: Mir fiel erst nach wiederholtem Lesen (lustigerweise) auf, dass man Figur auch anders interpretieren kann - nämlich als die körperliche Figur - die natürlich auch nicht im Verlaufe eines Lebens gleich bleibt.

Pendlerin - 16. Dez. 13, 13:24

Ich wünsche dir alles Gute, Gesundheit und nur das Beste.

Herzlichst,
die Pendlerin

bonanzaMARGOT - 16. Dez. 13, 13:34

danke!
fata morgana - 16. Dez. 13, 14:00

alles gute für dich, vor allem gesundheit -
es ist schön, dich als blognachbarn zu kennen und zu schätzen -
herzliche grüße und sonnenstrahlen zu dir -
ja, heute ist ein guter tag !
:)

bonanzaMARGOT - 16. Dez. 13, 14:12

ja! man kann auch eine art geburtstag feiern, ohne wirklich geburtstag zu haben.
danke, fata morgana, für die guten wünsche. gesundheit ist wirklich sehr sehr wichtig. wir ruhen uns oft auf ihr aus.

dir einen schönen tag!
lovehunter - 16. Dez. 13, 21:10

Alles Gute und eine große Portion Leichtigkeit gegen die Unerträglichkeit des Seins...;)

bonanzaMARGOT - 17. Dez. 13, 14:23

danke lovehunter - schön gesagt.
iGing - 16. Dez. 13, 23:32

Sieht so aus, als hätten wir am gleichen Tag Geburtstag ;-))

Alles Gute!


Apropos Zeitrechnung:

http://www.youtube.com/watch?v=jMdn3kwhDG0

(ist auf Englisch, auf Deutsch habe ich es leider nicht gefunden)

bonanzaMARGOT - 17. Dez. 13, 14:32

schöner zufall!

25550 tage sind nicht so viel, wie man als junger mensch vielleicht denkt ...

dir auch alles gute noch nachträglich!
sicher hast du noch ein paar tage mehr auf dem konto des lebens. ich meine nicht das konto des vergangenen lebens sondern des wahrscheinlich zukünftigen.
iGing - 17. Dez. 13, 20:21

Nein, nein, die erste Version ist die richtige: "auf dem Konto des vergangenen Lebens" ;-)

25550 Tage sind verdammt wenig, das sieht man gleich ein - aber wenn man sich vorstellt, dass manche ernsthaft "200 000" oder gar "Millionen" als richtige Antwort in Betracht zogen, sieht man doch, wie leicht wir uns in Irrtümern verstricken und es nicht einmal merken, obwohl wir die Antwort oder den Weg dahin wissen oder finden könnten.

Das Ende des eigenen irdischen Daseins ist wohl Verdrängungskandidat Nr. 1 bei den Menschen.
bonanzaMARGOT - 18. Dez. 13, 07:07

ja. der tod ist einfach zu unglaublich, - dass man ihn viel weiter von sich wegrückt, als er tatsächlich ist.
dauerte das leben nur einen tag, dann würde die nacht für den tod stehen. auf meiner lebensuhr ist fortgeschrittener nachmittag ...

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