Sommerphantasie - Miguel de Unamuno
(aus einem unvollendeten und unvollendbaren Brief)
...
Ich pflege, wie ich dir gesagt habe, ein Buch mitzunehmen, jedoch um nicht in ihm zu lesen. Kennst du nicht den Reiz, ein Buch zur Hand zu haben, um nicht in ihm zu lesen? Es ist köstlich. Es höchstens aufzuschlagen, ein paar Worte zu lesen und es wieder zu schließen.
...
Um die Stunde, wenn die Kühe an den Fluß zum Trinken herunterkommen, begebe ich mich zu der stillen Stelle in der Nähe der Mühle, die wie ein großer Tümpel aussieht, und sehe sie, wie sie sich im Wasser spiegeln, als wären es zwei Kühe, die einander trinken. Und da ich sie am Ufer liegend anschaue, befreit von unserer normalen Stellung des Hochaufgerichtetseins - Du wirst dich sicher erinnern, dass der Mensch, unserem Freund zufolge, nichts anderes als ein vertikales Säugetier ist -, erlangt dies alles einen merkwürdigen Eindruck von Unkörperlichkeit. Es ist, als verwandle sich die gesamte Landschaft in ein bloßes Gewand des Raumes, der Unermeßlichkeit Gottes, nach unserem Philosophen.
Und so ist es mit allen Dingen, die direkt durch die Sinne in mich eindringen: dem Rauschen des Flusses und der Blätter, dem Grün der Wiese und der Bäume, den Kühen, den Käfern, der Mühle, den Wolken; all dies dient mir als Gewand der Begriffe, die ich im Winter im Schatten der Bibliothek lernte. Es gab einen Augenblick, unlängst, in dem ich unseren Freund L., den Wissenschaftler, nicht wie einen Menschen anschaute, das heißt, nicht wie ein rationales Wesen voll von Gedanken, Affekten und Wünschen, sondern wie ein Tier, wie den Ochsen, der aus dem Fluß trinkt. Am liebsten hätte ich ihn umarmt.
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Hast du je darüber nachgedacht, was man einen Charackter nennt? Die Menschen, von denen man sagt, sie seien ein Charakter, sind so, dass man ein ganzes Jahr über sie lachen kann, ohne aufzuhören. Ihre nahezu einzige Sorge ist es, ihrem Typus getreu zu bleiben. Denn sie haben einen Typus. Oder wie unser guter P., der Paradoxist, sagt, sie imitieren sich selbst. Und wieviele gibt es nicht von der Sorte, die nichts tun, als sich selbst zu imitieren!
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(Miguel de Unamuno)
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Ich pflege, wie ich dir gesagt habe, ein Buch mitzunehmen, jedoch um nicht in ihm zu lesen. Kennst du nicht den Reiz, ein Buch zur Hand zu haben, um nicht in ihm zu lesen? Es ist köstlich. Es höchstens aufzuschlagen, ein paar Worte zu lesen und es wieder zu schließen.
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Um die Stunde, wenn die Kühe an den Fluß zum Trinken herunterkommen, begebe ich mich zu der stillen Stelle in der Nähe der Mühle, die wie ein großer Tümpel aussieht, und sehe sie, wie sie sich im Wasser spiegeln, als wären es zwei Kühe, die einander trinken. Und da ich sie am Ufer liegend anschaue, befreit von unserer normalen Stellung des Hochaufgerichtetseins - Du wirst dich sicher erinnern, dass der Mensch, unserem Freund zufolge, nichts anderes als ein vertikales Säugetier ist -, erlangt dies alles einen merkwürdigen Eindruck von Unkörperlichkeit. Es ist, als verwandle sich die gesamte Landschaft in ein bloßes Gewand des Raumes, der Unermeßlichkeit Gottes, nach unserem Philosophen.
Und so ist es mit allen Dingen, die direkt durch die Sinne in mich eindringen: dem Rauschen des Flusses und der Blätter, dem Grün der Wiese und der Bäume, den Kühen, den Käfern, der Mühle, den Wolken; all dies dient mir als Gewand der Begriffe, die ich im Winter im Schatten der Bibliothek lernte. Es gab einen Augenblick, unlängst, in dem ich unseren Freund L., den Wissenschaftler, nicht wie einen Menschen anschaute, das heißt, nicht wie ein rationales Wesen voll von Gedanken, Affekten und Wünschen, sondern wie ein Tier, wie den Ochsen, der aus dem Fluß trinkt. Am liebsten hätte ich ihn umarmt.
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Hast du je darüber nachgedacht, was man einen Charackter nennt? Die Menschen, von denen man sagt, sie seien ein Charakter, sind so, dass man ein ganzes Jahr über sie lachen kann, ohne aufzuhören. Ihre nahezu einzige Sorge ist es, ihrem Typus getreu zu bleiben. Denn sie haben einen Typus. Oder wie unser guter P., der Paradoxist, sagt, sie imitieren sich selbst. Und wieviele gibt es nicht von der Sorte, die nichts tun, als sich selbst zu imitieren!
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(Miguel de Unamuno)
bonanzaMARGOT
- 06. Dez. 13, 14:55
- Was ich lese