Mein Herz schlägt am Fenster

Vielleicht ist das Leben wie die Straße, die vor meinem Haus den Berg hoch führt. Eine Sackgasse. An ihrem Ende ist ein Wendekreis. Von meinem Fenster aus sehe ich die Autos den Berg hoch fahren und weiß: irgendwann müssen sie zurückkommen. Wenn ich hier lange genug sitzen bleibe, sehe ich sie alle wieder vorbeikommen. Und das ein paar Mal am Tag. Die Leute sind sehr geschäftig, während ich den Diogenes mime. Im Wintergarten des Nachbarhauses bügelt wie immer die dicke Frau. Manchmal sehe ich schemenhaft ihre Titten durch das Badfenster das Stockwerk drüber. Sie erinnert mich an eine Barfrau in Basel. Ewig gemütlich, beinahe stoisch verrichtet sie ihr Tagewerk, wie die Wolken heute, die langsam vorbeiziehen. Alles hat seine Richtung. Man bügelt Hemden oder fährt den Berg hoch oder putzt Staub. Professor Lech erklärte gestern, dass auch die Zeit nur ein Ball ist, den Basketballspieler tanzen lassen. Nein, er erklärte es anders. Ich weiß nicht mehr. Die Zeit ist halt auch nicht das, was sie zu sein scheint ... nur dort, wo man ist. Aber da wir uns nur so verdammt langsam bewegen können, ist es eigentlich egal. Für unsere Wirklichkeit. Wenn man davon absieht, dass alles nur darum so ist, wie es ist, weil es sich mit der Zeit und dem Raum genau so verhält, wie es sich Einstein in seiner speziellen Relativitätstheorie ausdachte, und nicht anders. Ich denke gern über diesen Irrsinn in meinem Zimmer nach, und wenn ich Autogeräusche höre, schaue ich aus dem Fenster. Oder einfach mal so wegen der Wolken am Himmel und der Dicken am Bügelbrett. Ein ziemliches Durcheinander. Ich könnte jetzt die Zeit beinahe berühren; derart nahe bin ich ihr, dass sie mir unter die Finger kommt. Ich tippe sie in die Tastatur des Laptops. "Hallo Zeit", sage ich, "gerade schrieb ich dich nieder. Ich habe dich festgehalten. Ich habe dich berührt. Es ist komisch. Du bist wie eine Frau, die sich anbietet und ewig entzieht. Doch ab und zu kriege ich deine Nippel kurz zu fassen . Meine ganze Phantasie steht und fällt mit dieser Berührung."
Mein Herz schlägt am Fenster. Regen fällt im Februar, an einem bedeutungslosen Aschermittwoch. Ich stehe auf, weil ich Bier und Käse kaufen muss.
schreiben wie atmen - 06. Feb. 08, 22:12

Sag an,

wer ist Professor Lech? Das die Zeit ein Ball ist kann ich schon glauben. Ob ich sie berühren würde wenn ich das könnte weiß ich nicht. Ich denke sie würde sich in der Mitte borstig und abweisend anfühlen, an den Rändern schwabbelig und irgendwie glitschig und wahrscheinlich hätte sie an den unvermutetsten Stellen Organe die man dort lieber nicht antreffen würde. Wahrscheinlich würde sie auch noch beißen und hätte Mundgeruch und dreckige Fingernägel.
Das Bild des Menschen der an seinem Fenster sitzt und die Autos eintreffen sieht und der verharrt, bis ein jedes wiedergekehrt ist, erinnert mich daran, dass ich mir als Kind so ähnlich den lieben Gott vorgestellt habe. Außerdem hatte er in meiner Phantasie immer eine Flasche Libella für mich und ganz viele Decken aus denen ich mir Höhlen bauen durfte. Aber in Wirklichkeit habe ich ihn nie getroffen. Deswegen bin ich jetzt sauer auf ihn und glaube aus lauter Bockigkeit auch nicht mehr an seine Existenz.
OM

die alte Saeckin

bonanzaMARGOT - 07. Feb. 08, 13:14

Prof. Lesch )*

ist Fernsehphysiker im BR. Sowas wie die Fernsehköche, -pfarrer, -psychologen, -astrologen, -doktors. Er bringt dem Zuschauer das Universum näher. Wirklich, das schafft er. Ich hebe mit ihm ab und fliege zu schwarzen Löchern oder zu der Sonne oder fernen, fernen Galaxien bis hin zum Urknall. Erstaunt denke ich: Mein Gott, was für eine Welt! Voller Quarks und Stringtangas. Unvorstellbar! Das Universum, ein Zaubertrick Gottes. Einige Wissenschaftler wollen hinter diesen Trick kommen, aber bisher müssen sie sich eingestehen, dass sie zwar einiges über das Drumrum wissen, aber die letzten großen Rätsel der Existenz noch lange nicht lösen können. Im Gegenteil wird alles zunehmend verwirrender. Mathematiker rechnen mit zwanzigdimensionalen Räumen, um die Wirklichkeit zu erklären, bzw. sie so hinzubiegen, damit das Puzzle passt.
Prof. Lesch macht seine Sache gut. Ich finde ihn süß. Manchmal kommt er ins philosophieren, dann würde ich am liebsten zu ihm in den Fernseher steigen. Ach, ich könnte ihm stundenlang zuhören. Oft liege ich bereits im Halbschlaf und reise dann mit beinahe Lichtgeschwindigkeit durch die geheimnisvolle Sternenwelt ... hin zu den Engeln des Schlafes.

Alte Säckin, du würdest ihn sicher auch mögen. Schaue einfach mal ins TV-Programm. Die Sendung heißt "Alpha Centauri" und läuft im BR.
http://www.br-online.de/alpha/centauri/

)* Ich schrieb fälschlicherweise im ersten Beitrag "Lech" statt "Lesch".

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