Anruf bei der Mutter


"Vater hat Demenz."
"Was?!"
"Seit zwei Jahren."
"Seit zwei Jahren ..., wie ist das möglich?"
Und Mutter erzählt mir von den nach und nach immer häufiger auftretenden Gedächtnislücken bei Vater, dass er sie fragen muß, wo dies und jenes im Haushalt zu finden ist, oder beim Autofahren nach dem Weg fragt, obwohl er ihn wissen müßte.
Er wurde daraufhin untersucht, machte Gedächtnistests, und die Diagnose Demenz steht offensichtlich fest.
"Und er hat den Grauen Star."
"Ja, das fiel mir auch auf, dass er sehr schlecht sieht beim Autofahren und darum sehr langsam fährt", meine ich - und denke bei mir: Oje, er fährt noch Auto ...
Ich wünschte, ich wüsste nicht so viel über diese grausame Krankheit. Ich sage meiner Mutter, was auf sie zukommen kann. Ich beschönige nichts. Es gibt keine Heilung.
"Er bekommt Tabletten und macht Gedächtnistraining", erzählt die Mutter, "vielleicht ist der Abbau bei ihm nicht so schnell."
"Ja, im Altenheim beobachte ich zum Teil ganz unterschiedliche Verlaufsformen. Manchmal schreitet die Demenz nur sehr zögerlich voran ...
Du solltest dich auf alle Fälle beraten lassen. Die Sozialstation am Ort bietet bestimmt Beratungsgespräche an. Die können dir sicher noch besser als ich sagen, auf was man sich vorbereiten muss."
Scheiße, denke ich, ich hatte damit nicht gerechnet, nicht so bald. Vater ist 79. Ich wußte wohl, dass mit seinen Augen was nicht stimmen kann ...
"Hoffen wir, dass es bei ihm nicht so schnell geht", sagt meine Mutter.
"Mist", sage ich und sehe eine dunkle Wolke am Himmel, vor der ich immer Angst hatte. Tränen steigen mir in die Augen.
...

Finchen1976 - 18. Mai. 11, 13:18

Mist. :-(
Die Tage davor hattest Du noch darüber gebloggt. Wie schlimm das alles ist usw.

Es tut mir leid.
Wirklich.

bonanzaMARGOT - 18. Mai. 11, 13:22

so ist das leben. voller dämlicher zufälle und synchronizitäten.
ich denke nicht, dass sich mein vater wie gunter sachs in den kopf schießen wird.
ich fragte meine mutter, wie er damit klarkommt, und sie sagte, dass es ihm gut geht. so war vater immer: er läßt sich nicht viel anmerken ...

scheiße.
Finchen1976 - 18. Mai. 11, 16:41

Na mal ehrlich--- um als Otto-Normal-Bürger an eine funktionstüchtige Knarre ranzukommen, muss man sich gerade in dem Alter ja nun auch ein bisschen anstrengen. Es sei denn, man war Jäger oder so.

Und eine zu besitzen und sich deshalb eine an den Kopf zu halten und abzudrücken, sind nochmal ganz andere Kaliber. (passendes Wortspiel)

Hoffentlich verläuft das alles mit der Krankheit glimpflich für Dich, deinen Vater und auch Deine Mutter...
bonanzaMARGOT - 18. Mai. 11, 17:02

Wer unbedingt an eine Knarre kommen will, kriegt auch eine.
Ähnlich ist es mit Koks und anderen illegalen Drogen. Man kann sich alles besorgen, wenn man sich etwas anstrengt.

Um sich das Leben zu nehmen, braucht man keine Knarre. Sie, also die Knarre, würde mir lediglich eine Sicherheit bedeuten ..., auf der anderen Seite auch die Gefahr, dass ich mir vorschnell eine Kugel durch den Kopf jage ...
Ich glaube sowieso, dass ich vorher von einem Auto totgefahren werde.
Finchen1976 - 18. Mai. 11, 17:17

Ach ja, die Autotheorie.
Wenn Du es nicht selbst herausforderst, hast Du gute Chancen. Aber die Wahrscheinlichkeit, von 'nem Auto totgefahren zu werden ist natürlich höher, als sich 'ne Kugel in den Kopf zu jagen.
bonanzaMARGOT - 18. Mai. 11, 17:31

Man muss sich darüber keine Gedanken machen ...
Ich will noch nicht sterben.
Die meisten tödlichen Unfälle passieren im Haushalt.
Vielleicht ertrinkst du in deinem Wasserbett?
Finchen1976 - 18. Mai. 11, 17:42

Ich fürchte, diese Chance tendiert gegen null, wenn mich nicht jemand mit Chloroform betäubt und den Wasserkern aufschneidet in Kopfgröße und mich mit dem Kopf reinsteckt. :-)
(Ich musste grad wirklich lachen.)
bonanzaMARGOT - 18. Mai. 11, 17:54

Ja, ja, es sind nicht selten die unwahrscheinlichsten Dinge ...
bonanzaMARGOT - 19. Mai. 11, 13:55

ertrinken im wasserbett könnte auch bedeuten, finchen, dass du nicht im wasser deines wasserbetts ertrinkst sondern innerlich an einem lungenödem.
das wäre dann besonders schwarzhumorig.
Finchen1976 - 19. Mai. 11, 16:37

DAS stimmt allerdings. :-)

PS: Du bist mir noch eine ANTWORT schuldig in meinem Blog...
bonanzaMARGOT - 19. Mai. 11, 16:42

echt? entschuldige, gestern rauschte ich munter lustig mit fahrrad und iphone durch die biergärten der umgebung ...
und dann hatte ich irgendwann einen realen gesprächspartner und vernachlässigte die intenette diskussion.

ah, sehe gerade deinen link ...
Finchen1976 - 19. Mai. 11, 16:47

RL ist auch um einiges wichtiger und erfüllender als das Internet und sollte niemals vernachlässigt werden.
bonanzaMARGOT - 19. Mai. 11, 16:53

für mich ist die internette kommunikation inzwischen schon wichtig geworden - gebe ich offen zu.
ich lebe alleine und genieße diese freiheit auch ...
andererseits brauche ich aber die gesellschaft von menschen, und sei diese eben nur über das internet.
Finchen1976 - 19. Mai. 11, 16:58

Ich finde meine RL-Freunde doch einen ganzen Tacken wichtiger.
Hier macht es Spaß, klar, aber letztendlich kann Dir kein Buchstabe der Welt ein Gespräch, eine Umarmung, ein Lachen hören...ersetzen.
bonanzaMARGOT - 19. Mai. 11, 17:05

du bist aber auch recht aktiv im www ..., oder?

nein, man kann über das internet nicht wirklich die menschliche nähe ersetzen, die man braucht.

aber unter umständen kann man auch im internet menschen kennen lernen, die irgendwann immer realer werden ...
warum nicht?
hinter jedem nick steckt doch ein mensch aus fleisch und blut.
Finchen1976 - 19. Mai. 11, 17:21

Ja, bin ich.
Ich bin ja ein Sesselpupser im Job und häng damit eh den ganzen Tag vor'm PC.

Auch damit hast Du recht. Und es gibt einige hier, die ich gerne mal real treffen würde...
Es war auch ein Erlebnis, als ich bei mehreren Forentreffen war (vom gleichen Forum), die Menschen hinter den Nicks zu sehen und kennenzulernen.
bonanzaMARGOT - 19. Mai. 11, 17:26

natürlich, ein reales treffen ist mitunter spannend.
ich bevorzuge dabei weniger forentreffen sondern private dates.
Finchen1976 - 19. Mai. 11, 17:28

Über Twoday hast Du schonmal Dates gehabt???
bonanzaMARGOT - 19. Mai. 11, 17:34

nein. über twoday noch nicht. mal überlegen. nein.

ich schrieb vor meiner blog-zeit ca. 6 jahre in dem forum leselupe. die admin schmiss mich und ein paar andere 2006 raus, weil wir zu progressiv drauf waren, den mund nicht halten konnten.
danach wurde von einer netten wienerin literarchie gegründet, und die half mir dann auch in die "freiere" blog-welt.

ich hatte damals einige dates mit leselupe-mitgliedern.
testsiegerin - 21. Mai. 11, 11:05

ich erinnere mich da dunkel an ein twoday.net-date im wiener prater.
bonanzaMARGOT - 21. Mai. 11, 11:24

ach ja. aber ein richtiges date war das nicht. außerdem kannten wir uns auch aus leselupenzeiten.
Anja-Pia - 21. Mai. 11, 09:31


bonanzaMARGOT - 21. Mai. 11, 09:38

nö. sicher interessant und gut gespielt. aber nichts ist eindrucksvoller als das wirkliche leben. und in dem werde ich durch meinen job seit ... 25 jahren (hautnah) mit demenz konfrontiert.
ich (Gast) - 21. Mai. 11, 14:25

man bleibt wortlos.

ich kenne das gefühl sehr gut.
es tut mir sehr leid.

bonanzaMARGOT - 21. Mai. 11, 14:31

am liebsten würde ich wegrennen. aber kann man das überhaupt?
ich wollte noch nicht daran denken, dass meine eltern alt und krank werden, demenz bekommen ... oder etwas anderes, durch was ich sie verliere.
der schmerz ist groß, - und die zeit gegen uns.

ich brauche eine weile, um es für mich zu realisieren.
aber manchmal läßt einem das leben (das schicksal) gar keine zeit.

danke für dein mitgefühl.
ich weiß, dass du den schmerz gut kennst.
Lange-Weile - 03. Jun. 11, 23:03

Donnerschlag

hallo Bo.,

so eine Nachricht schlägt immer irgendwie eine Bombe ein. Erst dumpfes grummeln in Form von Herzschlag und dann kommt die Explosion in Form von Tränen und dann das Nachbeben im einsinken von Knien. Je älter die Eltern werden, je näher rückt der Zeitpunkt für eine solche Nachricht heran.

Wer weiß, mit welcher Nachricht meine Kinder rechnen müssen, wenn das Leben auch an mir knabbert und nagt. Bis jetzt hab ich noch keine körperlichen Einbrüche erleben müssen und so kommt das Gefühl für mich und meine Kinder vielleicht auf, ich lebe ewig. Doch auch die Ewigkeit hört irgendwann auf.

Ich hoffe für deinen Vater, dass er solange wie möglich seine Erinnerung behält. Ich sah vor kurzem ein Bericht über Demenz. Darin wurde eine Frau vorgestellt, die gegen das Vergessen mit täglichen Tagebuch Aufzeichnungen kämpfte oder besser gesagt, sie wollte damit dem Prozess entschleunigen.

Gruß LaWe


bonanzaMARGOT - 04. Jun. 11, 10:34

die sorge habe ich zumindest nicht, dass ich meinen kindern zur last fallen könnte, denn ich habe ja keine.

ich hoffe, dass mein vater sich bei zunehmender demenz nicht zu sehr quälen muss. und meiner mutter wünsche ich viel kraft ..., - egal, wie sie sich dazu stellt.
es kommt drauf an, welche art von demenz er hat.

da bin ich mein halbes leben lang altenpfleger, aber für meine eltern bin ich nicht da ..., so wie ich mich kenne. mist!
was bin ich nur für ein mensch?

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