Das Spaghetti-Wochenende


Ich tigere durch die Zimmer. Ich finde mich gut und nicht gut. Das geht gleichermaßen. Im Rhythmus der Bluesmusik. Die Wohnung riecht nach der frischgewaschenen Wäsche. Ein paar Kerzen brennen langsam ab. Ein typischer Wintertag im Halbdunkel der Straßenschlucht. Die Stadtbäume zeigen ihr filigranes Geäst. Mit mir ist nichts los. Ich hatte mich bereits darauf eingestimmt, heute in den vier Wänden zu bleiben. Gemütlich habe ich es, aber in mir klopft die Unruhe. Wie verhext ist das. Wohin damit? Ich finde nicht die Worte für diesen Zustand. Fühlt sich so Einsamkeit an? Das Glas ist leer. Ich gehe in die Küche und gieße Wein nach. Mann, wie das hier duftet! Mir fehlt es an nichts. Der Topf mit den fertigen Spaghetti steht auf der neuen Herdplatte. Seit zwei Tagen esse ich Spaghetti. Ich liebe Spaghetti Bolognese. Schon immer. Als Kind hatte ich es bald raus, wie man sie am Besten um die Gabel wickelte und ohne viel Kleckerei verschlingen konnte. Ich erinnere mich an die Sommerurlaube in den Sechzigern an der Adria. Damals war Italien noch ungeheuer weit weg. Wir fuhren einige Male nach Torre Pedrera, kurz vor Rimini, immer zum gleichen Hotel. Zwei Wochen Strandurlaub… Braungerbrannt kehrten wir zurück ins Wirtschaftswunderland. Die Schule begann bald wieder, und der Lehrer fragte uns, was wir in den Ferien gemacht hatten… Unglaublich diese Zeit damals: die Zeit der Schleifspuren in der Unterhose, die Zeit des Biedermanns im Wohnzimmer, die Zeit der Gastarbeiter, die Zeit des ersten Fernsehers, die Zeit Cassius Clays und der Mondlandung, die Zeit der Matchboxautos und Comicheftchen, die Zeit der Wundertüten und Kaugummiautomaten, die Zeit des Ölofens und der Sonntagsausflüge, die Zeit von Fransenteppichen, die Zeit von Peter Alexander und der Beatles, die Zeit von LEGO, Daktari und Bonanza…

Ich blicke auf die Zeitanzeige meines Laptops. Früher Nachmittag erst. Sonntage sind fast so zäh wie Bürotage. Die Mikrowelle piepst. Eine Schale italienische Gemüsemischung ist fertig. Sollte zu den Spaghettis passen. Was gibt`s noch zu tun?

NBerlin - 10. Dez. 18, 14:14

Das hört sich doch mal wunderbar nostalgisch an. Lasse es dir gut gehen. Ich bin auch glücklich diese Zeit erlebt zu haben.

bonanzaMARGOT - 10. Dez. 18, 16:56

Da wird mir bewusst, wie viel Jahre ich schon auf dem Buckel habe, dass ich noch in einem ganz anderen Zeitalter aufwuchs.

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