Die Wanne ist leer


Was mache ich nur mit diesem angefangenen Bild? grübele ich, schaue immer wieder zur Staffelei… und bin unzufrieden. Motiv ist ein Embryo im Zentrum eines schneckenförmigen Gebildes mit nach außen gerichteten Stacheln, die sich aber (zumindest gedacht) an ihren Enden zu Spiralen winden. Mich faszinieren fraktale Strukturen. Schon als Kind schaute ich gern auf den Strudel, wenn das Wasser aus der Badewanne im Abfluss verschwand. Viel zu schnell war die Wanne leer. Das gebastelte Papierschiffchen saß auf dem Trockenen. Der samstägliche Badespaß. Danach durfte ich Raumschiff Enterprise gucken und mit Captain Kirk und seiner Crew Abenteuer in den unendlichen Weiten erleben. Am liebsten fläzte ich mich mit ein paar erbettelten Süßigkeiten auf den Wohnzimmerteppich. Ich mochte den Teppich mit seinen orientalischen Mustern. Auf ihm spielte ich gern mit meinen Matchboxautos. Ich war zehn Jahre alt, liebte meine Mama, Spielzeugautos, TV und Comics. Nicht zu vergessen Lego, Cowboys, Indianer und Soldaten…

Inzwischen änderten sich einige Dinge in meinem Leben. Ich befinde mich selbst in einer Art Strudel und bewege mich unaufhörlich auf den Abfluss zu. Alles wird in die Tiefe gerissen. Wie bei einem Schwarzen Loch. Gegen Ende geht es immer schneller. Ganz schwindlig kann einem werden. Und danach Stöpsel drauf.
Ich blicke zurück in die Vergangenheit, die immer blasser und komischer vorm geistigen Auge erscheint. Was ist das für eine Kreatur, frage ich mich, die hier mit Mitte Fünfzig auf ihr Dasein in der Welt schaut? Warum durfte ich nicht einfach vorm TV liegen bleiben und unendlich lange Raumschiff Enterprise gucken, dabei Schokolade essen und mein Lieblingsspielzeugauto auf dem Teppich spazieren fahren? Warum stattdessen jeden Tag zig Tumorfälle in ein Dokumentationssystem kloppen*? Oder auf ein Bild auf einer Staffelei starren, welches mit tausend Fragezeichen versehen ist? Oder über die letzte Liebe ärgern?

Unwillkürlich entfährt mir ein glucksendes Lachen. Schreibt mir doch diese Person letzte Woche per SMS, dass sie bewundere, woher ich so viel Energie zum Jammern nähme. Außerdem wolle sie nicht, dass ich schlecht über sie schreibe. Mache ich das? Und jammere ich wirklich so viel? Scheiße. Irgendwann im Leben kamen mir meine Eier abhanden, falls ich je welche hatte. Captain Kirk hatte jedenfalls welche. Das steht außer Frage. Ich wollte damals wie die Helden in den Fernsehserien und Comics werden. War wohl nichts. Stattdessen sitze ich hier und jammere über die Welt, das Leben und eine verlorene Liebe.
Was wollte diese Frau eigentlich von mir?



* oder als Altenpfleger Arschwischmaschine sein

bonanzaMARGOT - 07. Jul. 18, 13:36

ich will der zukunft nicht vorgreifen, aber ich glaube, dass man früher oder später auf die "jammer-energie" kommen wird als beinahe unerschöpfliche energiequelle.
es wird dann ein leichtes sein, weite raumreisen ins universum zu unternehmen... man jammert sich mit lichtgeschwindigkeit durch die galaxien. es wird die "jammer-raumflotte" geben, und einer der stolzen schiffskapitäne wird bonanzamargot heißen!

bonanzaMARGOT - 07. Jul. 18, 15:01

die schwarzen löcher

und noch was: ich glaube, die leute haben angst vor schwarzen löchern, und deswegen dürfen sie eigentlich nicht existieren (wie der tod). und dann dieses gejammere! das könnte einen total runterziehen. wo man doch sowieso nichts ändern kann. lieber im eigenen gestank lachend verrecken, als dem scheißdreck in die augen schauen.
ich kann diese ignoranz gut verstehen. ich selbst gebe mich ihr manchmal hin. doch im hintergrund bleiben die schwarzen löcher...

NBerlin - 07. Jul. 18, 20:06

In letzter Zeit jammerst du wirklich viel, aber verständlich bei Liebeskummer. Aber das geht vorbei, du wirst einen Pinsel finden und die Erinnerung wird verblasen.

bonanzaMARGOT - 08. Jul. 18, 08:45

sehe ich nicht so. wenn was schlecht läuft, kann ich nicht so machen, als ginge es mir dabei prima. das sich auskotzen und erwähnen von negativen umständen ist in meinen augen kein jammern.
wenn z.b. das brasilianische fussballass neymar sich auf dem platz windet, als würde er gleich sterben, - das nenne ich jammern.

einen pinsel finden? und dann wird meine erinnerung verblasen? nadine, du bringst mich heute morgen zum lachen. danke.
NBerlin - 08. Jul. 18, 11:57

Ich glaube bei der Definition zum jammern kommen wir nicht zusammen. Das mit den Pinseln war eine Anspielung auf deine Unterhaltung in deinem Lyrik-Blog.
bonanzaMARGOT - 08. Jul. 18, 12:42

macht ja nichts. ich werde dich dran erinnern, wenn du aus meiner sicht in deinen beiträgen zu viel rumjammerst.
NBerlin - 08. Jul. 18, 12:48

Mache das, manchmal merkt man ja gar nicht, dass man zuviel jammert. Aber ich finde Blogs sind auch zum jammern da.
bonanzaMARGOT - 08. Jul. 18, 12:52

... wenn man nicht mal mehr auf seinem blog jammern darf...

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