Mittwochs-Weisheit

Das Tüttelchen Wahrheit, das in mancher Lüge enthalten ist, das macht sie furchtbar.
Marie von Ebner-Eschenbach

rosenherz - 08. Nov. 17, 18:43

So manche Wahrheit ging von einem Irrtum aus.

bonanzaMARGOT - 09. Nov. 17, 05:51

ein verleser?

"furchtbar" nicht "fruchtbar" heißt es im zitat.

irren ist menschlich.
eine lüge ist allerdings kein irrtum sondern bewusst in die welt gesetzte unwahrheit.
rosenherz - 09. Nov. 17, 23:38

Ist das Glas halb voll oder halb leer? Was davon wäre eine Lüge?
rosenherz - 09. Nov. 17, 23:41

Wenn ich sage, ich habe elf Autos in der Garage, im Wert von 4,3 Millionen Euro, was wäre daran furchtbar?
bonanzaMARGOT - 10. Nov. 17, 05:22

halbvoll und halbleer beschreiben dasselbe nur mit anderen worten.
halbvoll=halbleer=50% glasinhalt
je nach sachlage ist die aussage (halbvoll bzw. halbleer) falsch oder richtig.

den sinn deiner zweiten frage von wegen der elf autos in der garage verstehe ich nicht.
rosenherz - 10. Nov. 17, 10:43

Die elf Autos in meiner Garage, die sind eine Lüge. Wo ist jetzt das Tüttelchen Wahrheit, das die Lüge furchtbar macht?
bonanzaMARGOT - 10. Nov. 17, 13:27

In dieser Lüge gibt's kein Tüttelchen Wahrheit, und darum ist sie auch nicht von der furchtbaren Sorte.
bonanzaMARGOT - 10. Nov. 17, 21:30

Beispiel:

In Politik, Propaganda und Werbung wird mit Lügen, die ein Tüttelchen Wahrheit beinhalten, gearbeitet.
bonanzaMARGOT - 11. Nov. 17, 11:32

Ich lüge nicht




Seht her: die Luxusautos in meiner Garage!

david ramirer - 09. Nov. 17, 09:48

das zitat funktioniert auch in meiner negativen umformung:

"der kleine anteil lüge (das wort "tüttelchen" bringe ich nicht ernsthaft über die tastatur!), der in jeder wahrheit enthalten ist, macht sie furchtbar (und menschlich)."

bonanzaMARGOT - 10. Nov. 17, 05:23

ist eine wahrheit mit einem tüttelchen lüge überhaupt noch eine wahrheit? ich denke: lügen können wahrheiten beinhalten aber nicht umgekehrt.
david ramirer - 10. Nov. 17, 11:12

da jede wahrheit nur in einem zeitlichen rahmen wahr ist und nur in einem gegebenen kontext, unterwandert schon das den absolutheitsanspruch... von allen anderen ungewissheiten abgesehen, die jedweder aussage innewohnen.

sicher, in der mathematik sind die begriffe "wahr" und "falsch" klar getrennt... aber den begriff lüge kennt die logik überhaupt nicht - und auch der begriff wahrheit hat abseits der klar umrissenen aussagelogik eine ganz andere bedeutung. so kann eine wahrheit auch oft aus einem bestimmten grund eingesetzt werden, der durchaus der verschleierung oder gar verfälschung oder ablenkung dient - und das wären dann die anteile lüge, die auch praktisch gesehen ganz alltäglich sind.

eine lüge wiederum kann aus gründen verwendet werden, die wahrhaftiger sind als oberflächliche wahrheiten es sind (was die lüge nicht rechtfertigen soll; aber es kann sie erklären).

wahrheit und lüge sind fließende scheingegensätze, die tatsächlich jedes das andere enthalten in wechselhaften anteilen.
bonanzaMARGOT - 11. Nov. 17, 08:34

dass wahr und falsch einer aussage immer nur in einem definierten kontext gelten, versteht sich von selbst. in diesem gegebenen bezugsfeld kann man allerdings von einer 100%igen wahrheit sprechen, wobei es z.b. keine 85%ige wahrheit gibt. es trifft zu, oder es trifft eben nicht zu (im gegebenen bezugsrahmen). eine lüge dagegen kann schon anteile von wahrheit innehaben, um sie glaubhafter zu machen (siehe populisten oder werbung).

eine lüge bedeutet tatsächlich nicht unbedingt den gegensatz von wahrheit. eine lüge ist ein (strategie)konstrukt, welches dem betrug oder der täuschung dient. dieses konstrukt beinhaltet oft anteile von wahrheit, um glaubhafter oder besser zu klingen - wie gesagt.
du redest von der wahrheit auch als ein solches konstrukt, was sie aber mitnichten sein kann, denn dann wäre es nicht mehr "wahrheit" sondern bereits lüge.
bonanzaMARGOT - 11. Nov. 17, 10:39

eine wahrheit kann originär nicht zur verschleierung oder verfälschung eingesetzt werden, im rahmen eines lügengebäudes schon, weil sie hier im sinne der lüge instrumentalisiert wird - und das ist eben das, was frau ebner-eschenbach (meiner ansicht nach) meinte mit dem tüttelchen wahrheit, welches eine lüge furchtbar macht.
david ramirer - 11. Nov. 17, 11:28

ganz stimmt das mit den 100% nicht - das trifft nur auf die aussagelogik; auf die mathematik; teilweise auf die wissenschaft allgemein zu.
denn wenn man von einer wahrheit einen teil verschweigt, ist die wahrheit bereits mit lüge durchsetzt aber eben selbst noch keine lüge.

beispiel: ein mann kommt später von der arbeit heim als sonst. die frau fragt ihn: wo warst du denn noch?
er sagt darauf: ich stand im stau.
(das ist eine wahrheit)
dass er auch noch bei einer nutte war, verschweigt er.
auch wenn in summe alles zusammen eine lüge ergibt, hat er doch eine wahrheit geliefert (denn die frage war unpräzise genug, um sie mit diesem einen teil der heimfahrt zu beantworten).
wenn die frau gefragt hätte "sag mir detailliert, was du vom verlassen der arbeit bist zu deiner heimkehr getan hast" wäre es weit schwerer, eine wahrheit als lüge zu liefern.
daran sieht man, dass bereits die fragestellung definiert wie viel eine darauf aufbauende wahrheit wert sein wird...

politiker, geschäftsleute (und auch viele andere) arbeiten sehr viel mit solchen halbwahrheiten... und es wäre ja schön, wenn dieses phänomen nur von außen käme.
wir menschen gehen mit eigenen erkenntnissen über uns selbst nicht anders um und sehen nur das (von uns selbst) was angenehm für uns ist;
halbwahrheiten gehören zum leben untrennbar dazu, und wir sind kaum in der lage sie von faustdicken lügen zu unterscheiden.

ich bin überzeugt, dass die grenze fließend ist; wie alles andere auch.
bonanzaMARGOT - 11. Nov. 17, 11:46

nein, wir wissen insgeheim alle, wenn wir die unwahrheit sagen, also lügen. halbwahrheit ist ein irreführender begriff - weil bereits eine lüge.

der mann, der seinen besuch bei einer nutte auf die frage seiner frau hin, wo er denn so lange gewesen wäre, unterschlug und für die plausibilität seiner aussage den stau anführte, in welchem er wahrheitsgemäß auch stand, log seiner gattin (meiner meinung nach) frech ins gesicht. demgemäß hat er wahrscheinlich auch ein schlechtes gewissen, wenn er nicht gerade ein mensch ist, welchem moral, wahrheit und sowas alles am arsch vorbei gehen. die relativ unkonkrete fragestellung ließ ihm diesen spielraum, seiner lüge mit der wahren tatsache des staus ein alibi zu geben. das gesamtkonzept seiner aussage ist deswegen trotzdem als lüge anzusehen!
rosenherz - 11. Nov. 17, 11:57

Mir sind Menschen suspekt, die ständig auf Wahrheit pochen und Lügner verurteilen. Wahrscheinlich sind sie selbst die größten Lügner und verdrängen das, sodass ihnen die Welt voller Lügen erscheint.
bonanzaMARGOT - 11. Nov. 17, 12:03

ich verurteile lügner nicht pauschal. natürlich lüge ich auch oft genug. mir geht es vor allem um die aufrichtigkeit sich sebst gegenüber. ich habe dummerweise ein gewissen/bewusstsein. ich habe gefühle. es gibt sowas wie moral. ich finde es nicht gut, wenn man seine lügen ständig relativiert.
bonanzaMARGOT - 11. Nov. 17, 12:07

ja, wir leben in einer welt voller lügen. das ist nichts neues. niemand kommt davon. das streben nach wahrheit halte ich trotzdem für sehr wichtig, gerade heute..., wo es immer schwieriger wird, zwischen unwahrheit/lüge und wahrheit zu unterscheiden.
david ramirer - 11. Nov. 17, 13:11

das streben nach wahrheit ist nur deswegen so wichtig (und da stimme ich mit dir überein) - eben weil es so schwer ist, wahrheit zu erkennen.
wäre wahrheit so einfach von der lüge zu trennen, wäre das streben kein streben.
bonanzaMARGOT - 11. Nov. 17, 13:33

jeder mensch sucht nach seiner wahrheit, oder sie ist ihm eben egal - das kann`s auch geben.
wahrheit im kontext des eigenen lebens, wahrheit im kontext der familie, wahrheit im kontext der nation oder des weltgeschehens, wahrheit im kontext der wissenschaft.
eine menge menschen schließen sich in religionen oder ideologien auf der suche nach wahrheit zusammen. ich mache mir meine eigenen gedanken dazu. ich erhebe nicht den anspruch von wahrheit. in welchem zusammenhang auch?
ich bin nur der dumme fragensteller.

im verlaufe meines lebens wurde es für mich immer schwerer, die wahrheit zu erkennen. ich scheiterte. ich verlor die wahrheit...
david ramirer - 11. Nov. 17, 14:14

meineserachtens ist der eigene kontext der wesentlichste - weil auch alle anderen kontexte schließlich nur in bezug auf diesen betrachtet werden können. die wahrheit in sich selbst zu finden bleibt das einzig mögliche, auch wenn es im laufe der zeit nicht leichter wird... ich halte das eher für ein zeichen, dass der weg richtig ist.
bonanzaMARGOT - 11. Nov. 17, 14:44

schwer zu sagen. aber ich mag menschen, die dies ähnlich sehen.
nein, ich habe null ahnung. auf der anderen seite sage ich, was ich denke.
und ich freue mich über solche diksussionen.

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