Kopfkrebs


Lange lag ich wach und dachte über den Unsinn in Träumen nach. Nicht angestrengt, ich ließ einfach die Gedanken plätschern, wies ihnen nur bedingt den Weg. Es scheint, dass Träume keine Logik brauchen. Sie sind wie ein unaufgeräumter Schreibtisch. Alles liegt durcheinander herum, aber der Träumer findet es in Ordnung. Unwillkürlich kam mir noch ein anderer Vergleich in den Sinn: Träume sind der Krebs des Geistes, undifferenzierte Wucherungen aller möglichen Ausartung. Und umgekehrt: die Träume unseres Körpers manifestieren sich als Krebsgeschwulste…

Alles das, was unser Körper über die Übung der Sinne
hinaus tut, bleibt unwahrgenommen. Von den lebens-
kräftigen Funktionen (Blutzirkulation, Verdauung usw.)
wissen wir nichts. Ebenso ist es mit unserem Geist:
Wir wissen nichts von all seinen Bewegungen und
Veränderungen, seinen Krisen usw., außer der
oberflächlichen, schematisierenden Begriffsbildung.
Erst eine Krankheit enthüllt uns die funktionellen
Tiefen unseres Körpers. So ahnen wir auch die des
Geistes erst, wenn wir aus dem Gleichgewicht gebracht
sind.


…schreibt Cesare Pavese in Handwerk des Lebens über die Allegorie von Körper und Geist. Eines meiner Lieblingszitate, welches in diesem Zusammenhang gut passt.
Bleibt zu hoffen, dass die Träume nach dem Aufwachen zurückweichen und der Krebs sich im Körper nicht ausbreitet.

david ramirer - 23. Mai. 17, 12:07

warum gleich zum krebs als allegorie greifen?
träume könnten auch der schluckauf, heuschnupfen oder auch, krasser, das asthma des geistes sein... aber natürlich auch der ausfluss, der rotz bzw., am erfreulichsten, das ejakulat.

bonanzaMARGOT - 23. Mai. 17, 14:24

Wie das so ist: Man nimmt die Allegorien, wie sie fallen.
In diesem Fall hat es sicher mit meiner neuen Arbeit als Tumordokumentar zu tun.
steppenhund - 24. Mai. 17, 12:21

Also ich habe gelesen, das das Träumen so etwas wie die Mistabfuhr ist. Unaufgearbeitetes wird im Traum in eigenartigste Plots verwurschtet. Interessant ist es, wenn man von Personen träumt und wissen will, warum sie noch im Hirn geistern. Einen Trick habe ich einmal gelesen und er scheint zu funktionieren. Wenn man nicht weiß, wen oder was eine Person bedeuten soll, kann man auch im erwachten Zustand "fragen". Allerdings muss man nachdenken, bevor man das erste Mal die Augen aufschält. Anscheinend sind die Reize, die das Auge verarbeitet, so stark, dass sie alles aus der Traumerinnerung überschatten.
Wenn ich krank war und Fieber hatte, waren meine Träume ein gutes Indiz dafür, dass ich Fieber hatte. So verfing sich mein Traum z.B. in das Ausrechnen einer Division, beispielsweise durch die Zahl 7. Da gibt es eine Periode von 5 wiederkehrenden Ziffern. Obwohl ich das auch im Traum wusste, hatte ich die fixe Idee, dass man nur weiterrechnen musste, irgendwann würde die Periode abreißen.
Außerdem habe ich im Traum zweimal echte Problemlösungen erreicht. (Angeblich hat ja auch Kekule den Benzolring im Traum gefunden.)
Bei einem Problem war ich damals 17 Jahre alt. Wir hatten in Darstellender Geometrie eine Hausaufgabe, die niemand lösen konnte, ich auch nicht. (Konstruktion einer Kugel durch Angabe von drei Punkten und einer Tangente) Damals war ich auch manchmal beim Heurigen unterwegs und nicht ganz nüchtern, wenn ich schlafen ging. Irgendwann träumte ich die Lösung. Mit geschlossenen Augen versuchte ich sie fest zu halten. Dann stand ich auf und schrieb den Lösungsansatz mit wenigen Worten um 3 Uhr in der Früh nieder. Die Lösung hatte gestimmt. Das Unterbewusstsein hatte einen mathematischen Satz aufgestöbert, den wir 5 Jahre zuvor in Mathematik gelernt hatten. Tatsächlich war ich der einzige, der die Lösung fand, wie sich in der nächsten DG-Stunde herausstellte.
Das Resumee ist also für mich: kein Krebs, sondern Beseitigen des Denkmülls und manchmal das Finden von lange Vergrabenem.
-
Übrigens hatte ein Professor in der Schule behauptet, dass man eine Sprache erst könne, wenn man in der Sprache träumen könnte. Bei mir waren das neben Deutsch noch Englisch und Russisch. Lustig, nicht?

bonanzaMARGOT - 25. Mai. 17, 07:31

danke für die interessanten und beeindruckenden traumerlebnisse.
über die sprache machte ich mir in träumen noch nie gedanken...
rosenherz - 26. Mai. 17, 23:37

Träume als Kopfkrebs - Ortrud Grön würde vermutlich den Kopf schütteln bei diesem Vergleich. Gerade sie arbeitet seit mehr als vierzig Jahren in der Traumforschung und in einer Klinik mit Krebspatienten. Dort gehört Traumforschung zur Therapie der Krebspatienten. Ihrer Erfahrung nach enthalten Träume wesentliche Botschaften zur Heilung.
Ein Zitat von Ortrud Grön: "Träume weisen uns auf Widersprüche in unseren Gefühlen und Gedanken hin, die uns blockieren und unser Lebensgefühl beeinträchtigen."

bonanzaMARGOT - 27. Mai. 17, 07:58

mein vergleich wollte auf keine wahrheit hindeuten, wie man träume zu sehen oder zu interpretieren hat.
vielmehr war er eine eingebung in einer art wachtraum zwischen den nächtlichen träumen in einer phase, wo ich vor mich hindöste...
so weit hergeholt finde ich die allegorie außerdem nicht, wenn man weiß, was krebs bzw. krebszellen auszeichnet, nämlich u.a. ein grad von undifferenziertheit (bzw. anaplasie). außerdem wissen forscher heute, dass krebzellen ständig im körper entstehen (wie träume im geiste). das abwehrsystem verhindert normalerweise die krankhafte und verhängnisvolle ausbreitung. bösartige tumore treten darum vor allem im alter gehäuft auf, weil das abwehrsystem des körpers dann nicht mehr so gut funktioniert.
stelle dir vor, unsere träume würden (gleich krebs) von uns besitz nehmen - wir wären von ihnen verfolgt und kaum noch lebensfähig...

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