Bewerbung


Ich mag die Lehrerin nicht besonders. Wahrscheinlich ist es ihre Ausstrahlung – genau kann ich gar nicht benennen, was mich an ihr stört. Sie besitzt eine Kreisch-Stimme und wirkt nervös. Da wir uns in Bälde fürs Praktikum bewerben sollen, ist Bewerbungstraining angesagt. Ich bin dankbar für ein paar Tipps und Anregungen diesbezüglich, aber damit ganze vier Unterrichtstage zu verbringen, erscheint mir total übertrieben. Ich sitze stumpfsinnig vorm Computer, während die Hühner in meiner Klasse tratschen, die Lehrerin vorne nacheinander die Lebensläufe in Einzelgesprächen bespricht. Die Schultage ziehen sich wie Kaugummi. Meine Augen brennen vom Kunstlicht, zudem kündigt sich eine Erkältung an.
Mamma Mia, was man alles bei einer Bewerbung beachten muss! Die Lehrerin spricht von den Soft- und Hard Skills, und wo sie hineingehören, von der richtigen Gliederung von Lebenslauf und Anschreiben, was unbedingt angegeben werden muss, was dagegen nicht. So sind die Spielregeln – eine Form des Anbiederns auf dem Arbeitsmarkt. Keine Frage, dass ich sowas zum Kotzen finde.
Ich blicke durch die große Fensterfront des Computerraums auf die Winterlandschaft. Bittere Kälte und der erste Schnee. Anfang Januar. Der Verkehr rollt wie immer durch die Stadt. Qualmende Auspuffrohre und dampfender Atem. Die Passanten eingemummelt in Winterklamotten. Vom Stapfen durch den Schnee habe ich einen leichten Muskelkater. Ich träume mit offenen Augen. Zwischendurch spricht mich eine Mitschülerin an. Man sieht mir an, dass ich mich in einer anderen Welt befinde.
Meinen Lebenslauf habe ich relativ zügig erstellt. Die Lehrerin ist zufrieden damit. „Kurz und knackig“, sagt sie. „Prima“, sage ich. Nun noch die Bewerbungsschreiben… Am meisten Magenschmerzen bereitet mir das Foto. Ich lasse mich sehr ungern ablichten, obwohl ich mich bestimmt nicht verstecken muss. Das aktuellste Foto von mir ist mein Passbild. So viel Brimborium für eine Bewerbung – und wer alles daran verdient. Was man z.B. für Bewerbungsfotos beim Fotografen hinlegen soll. Hinterher interessiert`s niemanden mehr.

lovehunter - 10. Jan. 16, 13:39

Aus jedem Kleinscheiß wird heutzutage eine Wissenschaft gemacht. Früher schrieb man einfach einen Lebsnlauf ohne viel Getue. Heute muss man auf jedes Wort achten, das man schreibt, weil am anderen Ende einer sitzt, der das mit seinem Pseudo-Psychologiewissen aus dem Lehrbuch analysiert usw.
Menschenkenntnis und Gespür wurden von technokratischen Gehabe abgelöst.

bonanzaMARGOT - 10. Jan. 16, 13:54

"Aus jedem Kleinscheiß wird heutzutage eine Wissenschaft gemacht." Das bringt es auf den Punkt! Einfach ätzend!
Es werden die völlig falschen Prioritäten gesetzt. Nur ist inzwischen ein ganzer Markt dazu entstanden...
KarenS - 10. Jan. 16, 15:03

Auch eine Bewerbung sollte kurz und knackig sein. Die Arbeitgeber haben keine Lust, ellenlange Bewerbungen zu lesen, in denen vielleicht auch noch Familiengeschichten enthalten sind.

Ein Punkt ist allerdings wichtig, nämlich das WARUM. Warum du oder wer auch immer, sich für den jeweiligen Job interessiert.

Du magst die Lehrerin nicht. Na und?

Schönen Sonntag noch, du machst das schon ...

bonanzaMARGOT - 10. Jan. 16, 18:34

klar, ich mag es selbst kurz und knackig - in vielerlei hinsicht.
in dem bewerbungsschreiben auszudrücken, warum ich ausgerechnet bei IHNEN arbeiten will, ist schon wesentlich schwieriger, vorallem dann, wenn ich es selbst nicht genau weiß und nur durch hörensagen oder eine internetpräsentation auf die firma bzw. den arbeitsplatz stieß.

ja, ich mach das schon. wenn die "hühner" es hinkriegen, dann auch ich.

dir einen schönen sonntagabend!
rosenherz - 12. Jan. 16, 08:40

Ein paar Anhaltspunkte zur Analyse der bewerbenden Personen brauchen die Unternehmer oder Unternehmerinnen. So ist es eben der Lebenslauf und das Bewerbungsschreiben, das bestimmten Kriterien folgen sollte, was früher das persönliche Vorstellen beim Chef gewesen ist. Mit zunehmender Größe der Unternehmen verschwand der persönliche Erstkontakt, wurde abgelöst von Papier, das weitergereicht wird.

bonanzaMARGOT - 12. Jan. 16, 09:31

Klar, aber die ganze Mache drumherum halte ich für stark überzogen (bzw. künstlich).

ein literarisches Tagebuch

Kontakt



User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

alien-lösung? da ging...
alien-lösung? da ging was an mir vorbei. ist aber eh...
bonanzaMARGOT - 17. Nov, 13:08
richtig. ich dachte nur,...
richtig. ich dachte nur, dass ich es meinen lesern...
bonanzaMARGOT - 17. Nov, 13:05
Wo ist denn das Problem?...
Wo ist denn das Problem? Durch die „Alien-Lösung” von...
C. Araxe - 7. Nov, 22:06
Wenn du ohnehin eine...
Wenn du ohnehin eine neue Blogheimat gefunden hast...kann...
rosenherz - 2. Nov, 13:51
Liebe Leser(innen)
Dieser Blog ruht fortan. Leider ist die Resonanz hier...
bonanzaMARGOT - 02. Nov. 19, 13:39
Zu den Rubriken (3)
28.10.2016 - ... 2019 - Reisen Back from Greifswald Aufgefangen Let zter...
bonanzaMARGOT - 14. Sep. 19, 08:36

Archiv

Januar 2016
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 
 
 3 
 5 
 7 
 8 
11
12
14
15
16
17
18
19
22
24
25
26
29
30
31
 

Neues in boMAs prosaGEDICHTE-Blog

Suche

 

Extras



prosaGEDICHTE (... die Nacht ist gut für die Tinte, der Tag druckt die Seiten ...)

↑ Grab this Headline Animator


Von Nachtwachen und dicken Titten

↑ Grab this Headline Animator



Status

Online seit 6069 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09