Im Medocs
Am Nebentisch sitzen drei in die Jahre gekommene Herren, auf der Schwelle zur Rente, schätze ich. Ich blinzele durch die milchige Scheibe in die kalte Februarsonne, die den Bismarckplatz bestrahlt. Das Café ist gut gefüllt. Viele essen hier. Der Tisch, an dem ich Platz nahm, steht noch voller Geschirr. Ich beobachte die Szenerie und warte darauf, dass der Kellner kommt. Die Unterhaltung der drei Herren höre ich unfreiwillig mit. Bestimmt sind sie Freunde aus alten Zeiten. Sie reden sehr vertraut miteinander. Ihren Worten entnehme ich, dass sie ganz zufrieden sind mit dem, was sie erreichten. Es geht um das Altwerden, und um die richtigen Strategien, im Leben Erfolg zu haben. Die drei sind sich einig. Ihre altklugen Weisheiten erinnern mich an das schmutzige Geschirr vor mir, das immer noch nicht abgeräumt wurde. Der Kellner ist sehr beschäftigt. Er hat viel mit dem Barkeeper zu bequatschen und geht häufig zum Rauchen nach draußen. Er schaut mich nicht an, als er den Tisch abwischt und nach meiner Bestellung fragt. Ich bin leicht pikiert und mache so, als hätte ich nichts gehört. Erst da hebt er etwas den Blick. „Ein dunkles Hefeweizen, bitte“, sage ich freundlich. Zufällig fällt mein Blick in einen der vielen Wandspiegel, und ich erkenne mein eigenes Konterfei, auch schon in die Jahre gekommen. Mist, denke ich.
Das Thema der drei Herren dreht sich mittlerweile um die Pflege im Alter. Sie meinen einstimmig, dass das Altenheim nicht der adäquate Ort sei. Aber die Kinder würden heute die Last nicht mehr tragen wollen und ihre Eltern ins Altenheim abschieben. Früher wäre alles noch anders gewesen. Da durften die Alten im Kreise der Familie sterben. „Ich pflegte meine Mutter zwei Jahre“, sagt einer der Herren, und ich fühle geradezu, wie er sich bei seinen Worten selbst auf die Schulter klopft. In Gedanken male ich mir aus, wie ich mich mit meinen Erfahrungen als Altenpfleger einmische, um ihnen ein wenig von der Realität zu erzählen. Inzwischen kam mein Bier. Die drei wirken recht selbstzufrieden. Ich will sie nicht stören. Sie kommen mir schon leicht angeschimmelt vor. Nicht nur leicht. Sie sind bereits alte Knacker. Wie ich wohl neben ihnen aussehe? Ich vermeide einen weiteren Blick in die Spiegel.
bonanzaMARGOT
- 12. Feb. 15, 12:01
- boMAs Gedichte und Texte
als ich 14 war, galt eine 25 jährige schon alt für mich. ist alles relativ ...
10 jahre sind schnell rum. mich beschlich einiges unbehagen bei dem gedanken.
ich fragte mich auch, während ich ihnen zuhörte, ob sie sich dessen bewusst sind, dass sie selbst bald ... in schlagweite des schnitters tod kommen. sie redeten, als wären sie noch erhaben über alles. na ja. es ist auch nicht leicht, der vergänglichkeit ins gesicht zu blicken. auch mir macht sie angst. wozu diese ganzen bemühungen, wenn man in ein paar jahren sowieso ins gras beißt - oder jedenfalls halbtot ist - (wie ich viele menschen im altenheim erlebte)?
als ich um die zwanzig war, konnte ich mir nicht vorstellen, jemals vierzig zu werden. (ich überlebte mich also bereits selbst.)
ich lernte als junger mann einige "ältere" kennen, und ich hatte meist achtung vor ihnen. sie wirkten so erwachsen. und abgeklärt. wahnsinn.
viele der jüngeren menschen erscheinen mir heute abgeklärter, als ich es bin. ich frage mich dann, woher sie dieses erwachsenen-getue haben.