Born in the Asshole-World


In meinem letzten Beitrag schrieb ich überspitzt und platt von der Arschloch-Welt, ohne dies explizit zu erläutern. Ich wollte ihn als Glosse verstanden wissen.

Nun möchte ich einiges zur Begründung hinzufügen.
Natürlich ist mein Eindruck, dass die Menschen ohne Ausnahme Arschlöcher sind, in erster Linie subjektiv. Das bedeutet aber nicht, dass meine Einschätzung grundlos ist. Niemand will selbstverständlich als ein Arschloch gelten. Selbst die Menschen, welche unbestreitbar riesengroße Arschlöcher sind, werden sich wahrscheinlich nicht als selbige ansehen. Es liegt im Wesen des Menschen, dass er sein Handeln und seine Weltsicht nicht für arschlochmäßig sondern für gut und richtig hält - oder wenigstens für vertretbar. Alles hängt sich an der Frage auf, was gut oder schlecht ist. Theologen, Ethiker und Philosophen zerbrechen sich darüber nicht erst seit gestern den Kopf. Wir leben auf der Welt in kulturellen Wertemodellen. Einige ähneln sich, und andere stehen geradezu divergent, beinahe unvereinbar zueinander. Jeder Vertreter eines dieser Wertemodelle will Recht haben. Es ist egal, ob es um Religionen oder Ideologien geht. Immer werden Reibungskräfte zwischen den unterschiedlichen Meinungsführerschaften entstehen, welche früher oder später in Kriege münden, wenn Politik und Diplomatie versagen. Ich denke, dass dies im Kleinen wie im Großen gilt. Man muss nicht gleich an Konflikte zwischen Staaten denken. Der Segen kann nur im Kompromiss liegen, vorausgesetzt man ist an einer friedvollen Welt interessiert. Und nun kommt das Arschloch ins Spiel. Die Menschheitsgeschichte lässt mich an der Vernunftbegabung des Menschen stark zweifeln. Die Entwicklung der Vernunft erscheint mir als ein evolutionärer Prozess. Rein intellektuell sind wir schon lange dazu fähig, die Logik der Vernunft zu begreifen, aber in der Umsetzung sind wir nach wie vor Arschlöcher. Gewisse Fortschritte will ich nicht leugnen. Gerade Wissenschaft und Technik verhalfen dem Menschen zu gerechteren und zivilisierteren Gesellschaftssystemen. Auf der anderen Seite werden wir aber immer abhängiger von der Technik – wir sind informierter und doch in vieler Hinsicht unmündiger. Zudem zollen der zunehmende Wohlstand und Konsum ökologisch ihren Tribut. Vernunft ist mehr denn je gefragt, wenn wir den kommenden Generationen eine bewohnbare Erde hinterlassen wollen.
Wir alle verhalten uns aber im Alltag wie Arschlöcher. Mehr oder weniger. Wir fahren immer größere Autos; wir wollen auf Bequemlichkeiten nicht verzichten (ich meine die vielen technischen Applikationen im Haushalt etc.); wir sind gnadenlose Egoisten (wie gesagt: mehr oder weniger); wir fressen die billigen Nahrungsmittel, ohne uns darüber Gedanken zu machen, warum sie so günstig sind; dasselbe gilt für die Textilien, die wir kaufen; wir ergeben uns Jahr für Jahr dem weihnachtlichen Konsumrausch, der dem eigentlichen Weihnachtsgedanken diametral entgegensteht … Es ließen sich noch viele arschlochmäßige Verhaltensweisen aufführen. Jeder weiß es selbst, wenn er ehrlich ist, wo er als Arschloch in einer Arschloch-Welt eingebunden ist.
Ich wirkte über viele Jahre in dem Arschloch-System der Altenpflege mit. Schließlich hielt ich das Spagat zwischen meinen Ansprüchen und Vorstellungen und der Wirklichkeit im Betrieb nicht mehr aus. Am Meisten kotzte mich die Doppelmoral an, die besonders bei den Oberarschlöchern ausgeprägt ist.
Werden wir vielleicht alle bereits als Arschlöcher geboren? Ich weiß es nicht. Aber die Welt verlangt uns früher oder später ein Arschloch-Verhalten ab. Diejenigen, die etwas in ihrem Leben erreichen wollen, machen es sich zum Geschäftsmodell. Der Kapitalismus zieht Arschlöcher besonders gut an. Ebensolche Sammelbecken für Arschlöcher bieten alle Schwarzweißmalereien religiös oder ideologisch. Dort entstehen regelrechte Arschloch-Schulen.

Wem der hier verwendete Begriff Arschloch nicht gefällt, kann ihn ersetzen durch z.B. „Idiot“ oder „Zombie“. Ich finde, dass „Arschloch“ gut zusammenfasst, was ich meine.
Gott vertrieb Adam und Eva aus dem Paradies. Er hatte seine Gründe.

david ramirer - 03. Dez. 14, 12:03

wozu braucht gott gründe? - ist "er" doch selbst das allergrößte superarschloch.

bonanzaMARGOT - 03. Dez. 14, 12:11

richtig. dieser satz ist ein polemischer abschluss meiner ausführungen - arschlochmäßig eben.
ich glaube sowieso nicht an dieses superarschloch im hintergrund, im himmel oder wo auch immer.

allerdings soll ja auch in solchen mythen (märchen) ein körnchen wahrheit liegen.
david ramirer - 03. Dez. 14, 12:20

das körnchen liegt vielleicht darin, dass sich die arschlochgattung mensch keine anderen phantasiefiguren ausdenken kann als ein umso größeres arschloch, dem man alle schuld oder verantwortung bequem in die schuhe schieben kann.
jedes gottesbild erfüllt diese vorgaben perfekt - und entblößt sich bei genauerer betrachtung als spiegelung menschlicher unzulänglichkeiten und unfassbarer abgründe.
bonanzaMARGOT - 03. Dez. 14, 12:31

das ist leider so.
der mensch ist noch lange nicht "aufgeklärt".
vielleicht vernichtet er sich vorher.
es ist ziemlich frustrierend zu wissen, was der mensch falsch macht, ohne wirklich etwas ändern zu können. ich komme mir vor wie auf der titanic. ich stehe an der reling und rufe: da vorne ist der eisberg!!!! scheiße!!!! und andere rufen dasselbe. allein es nützt nichts.
das thema kotzt mich seit über dreißig jahren an. egoistisch, wie ich bin, hoffe ich, dass ich meine letzten jahre in frieden und gut verleben kann. die titanic soll bitte erst nach mir untergehen ...

gott wird nichts dagegen machen, weil es ihn schlechthin nicht gibt - jedenfalls nicht als das, was sich die meisten religionen unter ihm vorstellen.
aber das ist meine ganz persönliche meinung.
KarenS - 03. Dez. 14, 15:22

Ich finde diese Aussage trifft des Pudels Kern:

"Der Segen kann nur im Kompromiss liegen, vorausgesetzt man ist an einer friedvollen Welt interessiert" ...

"man" ist es aber nicht, wie wir wohl alle wissen. Es geht letztendlich immer (nur) um Macht ... und Macht macht Geld!

bonanzaMARGOT - 03. Dez. 14, 17:12

Ja, es gibt neben dem Interesse für Frieden andere mächtige Interessen.
Man muss sich als kritisches Individuum fragen, warum das so ist - dass wir Menschen in Kriegszeiten den tausendfachen Mord an unseren Mitmenschen, an unseren Brüdern und Schwestern, dulden..., warum unser Aufschrei nicht größer ist. Ist es nur unserer Angst geschuldet? Ich glaube nicht - es hängt direkt mit unserem Arschlochsein zusammen!
iGing - 03. Dez. 14, 20:28

Ich frage mich, warum ich immer als kleines Naivchen hingestellt werde, wenn ich ein unbedingtes "NEIN zum Krieg" einfordere. Jede andere Lösung ist besser als Krieg! Zumindest kann mit "Kompromiss" nicht "ein bisschen Krieg" oder "ein halber Krieg" gemeint sein, sondern eine Lösung, die ein friedliches Zusammenleben WILL und also auch ermöglicht.
C. Araxe - 03. Dez. 14, 20:58

@KARENS
„ ,man’ ist es aber nicht, wie wir wohl alle wissen. Es geht letztendlich immer (nur) um Macht ... und Macht macht Geld!”
Dem ist eigentlich nichts hinzuzufügen, wenn es um (global-)politische Interessen geht bzw. um jene, die insoweit schon einen Machtstatus haben, um Entscheidungen diesbezüglich zu fällen. Interessanter finde ich den Ansatz von BoMa, sich selbst, seine eigenen Einstellungen und Handlungen zu hinterfragen.

@IGING
Sorry, so einfach ist es aus meiner Sicht leider nicht. Oder um das mal auf der rein persönlichen Ebene zu hinterfragen. Wurden Sie selbst mal angegriffen oder zumindest bedroht? Da kann es durchaus sein (und das nicht selten), dass der Wille zum friedlichen Zusammenleben sehr einseitig ist.
bonanzaMARGOT - 04. Dez. 14, 08:30

hi iging,
ich verweigerte damals den kriegsdienst und landete an der "altenpflegefront".
es ist leider utopisch, dass alle staaten ihr militär abschaffen. die usa schaffen es ja nicht mal, die waffen für privatpersonen zu verbieten.
wie gesagt: we`re living in a asshole-world.
was aber nicht bedeutet, dass man allen scheiß mitmachen muss. auch wenn man vielleicht als naiv belächelt wird.

c.araxe, die notwehr einer privatperson ist nur sehr bedingt mit dem verteidigungsfall eines landes zu vergleichen.
dass friedlicher widerstand möglich ist, sollten wir spätestens seit gandhi wissen.

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