Mittwoch, 28. November 2018

Mittwochs-Worte

Ein Problem der Freiheit ist, dass sie einen heimatlos macht.

Sonntag, 25. November 2018

Wie viel Diskriminierung muss man hinnehmen?


Ich wartete gespannt, bis die Kollegin mit ihrem Anliegen herausplatzte. Sie schloss die Bürotür hinter sich. „Es muss nicht jeder mitkriegen…“, tat sie geheimnisvoll. Sie gehört zu jenen Hühnern, die gern mit anderen mauschelt. Wind um nichts machen ist eine Lieblingsbeschäftigung einiger Hühner. Aber so sind sie eben. Ich finde sie trotzdem fast alle auf ihre Weise prächtig und unterhaltsam…, solange sie mich nicht in ihre Geschichten hineinziehen. In dieser Hinsicht bin ein gebranntes Kind. Allzu gut erinnere ich mich an gewisse Geschehnisse aus meiner Altenpflegezeit, als ich zwischen die Hühner-Fronten geriet… Das war sehr, sehr unangenehm.
„Wusstest du, dass wir für die Rufbereitschaft unterschiedlich bezahlt werden?“ fuhr sie bedeutungsvoll fort. „Nein, da habe ich mir noch gar nicht den Kopp drüber gemacht“, erwiderte ich stirnrunzelnd. Und die Kollegin erläuterte mir, dass die Rufbereitschaft nicht für alle gleich, sondern proportional nach dem Gehalt, welches man verdiente, vergütet wurde. Somit erhielten unsere Chefin und bessergestellte Kollegen und Kolleginnen entsprechend mehr Geld für dieselbe Leistung. Zweifellos eine Ungerechtigkeit, stimmte ich der Kollegin zu. Da die Rufbereitschaft freiwillig ist, überlegen sich nun einige auszusteigen. „Soll doch die Chefin die Rufbereitschaft alleine machen…“, meinte die Kollegin hämisch. Mir gefiel der Tonfall nicht, in dem sie die Sache vortrug. Auch ich mag die Chefin nicht sonderlich – aber solange sie mir nicht zu nahe kommt… Sie ist zwar Nutznießerin dieser Ungerechtigkeit aber wie wir alle nur angestellt. „Mal sehen, was der Betriebsrat dazu sagt“, meinte ich. „Der wird auch nichts machen können…, also ich steige aus…“, und die Kollegin hob hervor, wie sehr sie sich den Arsch für den Betrieb aufreiße und bisher kein Entgegenkommen erhalten habe – nun sei eine Grenze erreicht. Ich schwieg. Die Kollegin hatte damals fast zeitgleich mit mir in dem Betrieb angefangen. Ich war verdammt froh, dass ich den Job kriegte. Inzwischen habe ich mich einigermaßen akklimatisiert. Im Großen und Ganzen kann ich mich über Bezahlung und Arbeitsbedingungen nicht beklagen. Auf Stress mit der Geschäftsleitung bin ich nicht aus. Aber natürlich solidarisiere ich mich mit den Hühnern, wenn es Sinn macht und verhältnismäßig ist…
In der Rufbereitschaft werden wir einfachen Angestellten gegenüber den besser positionierten eindeutig diskriminiert. Von wegen – gleicher Lohn für gleiche Leistung. Ich bin auf die Begründung der Geschäftsleitung gespannt – übrigens alles in Frauenhand. (Meine ja nur.)

Samstag, 24. November 2018

TV-Tipp

"Sunshine", 20 Uhr 15, Servus TV

Die Welt hat einen Sprung


Der alte AEG-Herd gab seinen Geist auf. Der Topf mit den Makkaroni kochte über, und es ließ einen Knall – die Sicherung flog raus. Danach war zappe. Für die Nudeln reichte die Hitze aber noch. Inzwischen kaufte ich mir eine einzelne Herdplatte, was weit besser zu meinem Singledasein passt.
Das nächste Problem bereitete mir der TV-Empfang. Offenbar war nun auch meine Adresse von der Umstellung auf digitales Fernsehen betroffen. Vorgewarnt wird man da offenbar nicht. Ich wollte vor der Arbeit noch etwas Morgenmagazin schauen, aber nichts ging mehr. Okay, kein Beinbruch. Ich verbringe nicht viel Zeit vor der Glotze. Gewöhnlich gebe ich mich mit dem Angebot auf der Mediathek zufrieden… abends vorm Einpennen. Aber einen Schönheitsfehler bedeutete der Verlust für mich schon. Ich hab`s gern, wenn alles funktioniert, wie`s soll. Ein Luxusproblem freilich. Auf der anderen Seite zahle ich immer diese Rundfunkgebühren – und nicht gerade wenig, finde ich. Also recherchierte ich im Netz, was zu tun sei. Endlich fand ich für meinen Fernseher gestern die Lösung. Ich musste einfach die Einstellung auf „Finnland“ ändern, und der automatische Sendersuchlauf funzte wieder. Warum war ich da nicht selbst draufgekommen?
So spielt das Leben. Vieles bleibt völlig im Dunkeln oder scheint zumindest unergründlich. Ich denke dabei nicht nur an technische Dinge, sondern auch an uns Menschen und die Welt im Ganzen. Tag für Tag dokumentiere ich Krebserkrankungen. Unglaublich, wie viele Menschen betroffen sind. Scheußliche Sache – und ziemlich komplex. Bei aggressiven Tumoren hilft nur Beten. Ich denke dabei an die Epikrisen von Lungen- oder Pankreaskarzinomen, die täglich auf meinem Schreibtisch landen… Da machst du am besten gleich dein Testament.
Vieles ist unmöglich zu verstehen. Das Verhalten von Menschen gehört auch dazu. Besser nicht zu sehr damit hadern. Ich weiß, leichter gesagt als getan. Nehme nur mal die Bitch, die mich betrog und Anfang dieses Jahres verließ. Was für ein Elend, nur daran zu denken. Die Liebe ist in jedem Fall so eine Sache, der man nie wirklich auf den Grund kommen wird. Sie mag den Rückblick nicht besonders – die Liebe will immer vorwärtsschauen. Kein Wunder, denn sie hinterlässt auf ihrem Weg nichts als Asche. Es folgt ein quälender Abschied in Zeitlupe. Das Herz erholt sich nur langsam. Ich frage mich, ob z.B. unser viriler Altkanzler Schröder ähnliche Liebesschmerzen durchlitt. Jedenfalls ließ er sich nicht viel davon anmerken. Wie oft war er verheiratet? Und wie ihn gibt`s eine Menge Schwerenöter(innen)… Kommt mir vor wie bei einem Weitsprungwettbewerb: Der Weitspringer denkt vor jedem Sprung: Der wird`s jetzt reißen. Er nimmt Anlauf, kommt auf Tempo, peilt das Trittfeld des Absprungs an, aber… in der Luft merkt er schon, dass es wieder nichts war – zu spät! Der Weitspringer schlägt in der Sandgrube auf, rappelt sich hoch, blickt auf den Abdruck seiner Landung und kehrt leicht geknickt zurück zum Start. Er hat noch ein paar Versuche… Beim nächsten Mal soll es unbedingt hinhauen!
Ich bin ein miserabler Weitspringer. Mein Rekord liegt in Liebesbeziehungen bei fünf Jahren. Jeder nach seinen Möglichkeiten. Der Vergleich passt freilich nur bedingt, denn erst muss man zu den Ladies kommen, um wieder zu einem neuen „Sprung“ ansetzen zu können. Nein, an Möglichkeiten fehlte es mir nicht. Auch nicht an Leidenschaft. Ich vermute eher, dass ich die Sache mit zu viel Gedankenschwere angehe… Auch fehlt`s mir wohl an der richtigen Technik. Beim letzten Sprung hätte ich besser den Anlauf abgebrochen oder wäre erst gar nicht gestartet. Ein wesentliches Merkmal der Liebe ist die Geistesschwäche der Beteiligten.

Je älter man wird, desto mehr sollte man sich in Bescheidenheit üben, auch was die Liebe angeht. Es kommt die Zeit, da muss man keine großen Sprünge mehr machen. Na, wenn das kein Trost ist.

Mittwoch, 21. November 2018

Mittwochs-Zitat

"Nüchternheit ist das Grab der Kunst!"

August Klingemann (1777 - 1831)

Sonntag, 18. November 2018

Das Jahr Lazertis


– es tauchte auf wie aus dem Nichts. Wie lange war es her, dass ich dieses Hörspiel gehört hatte? Und warum kam es mir jetzt wieder in den Sinn? Damals hörte ich viel Deutschlandfunk. Meinen Fernseher hatte ich verhökert. Ich lebte von Sozialhilfe. Die Erinnerung daran ist blass. In der Einsamkeit verliert man das Zeitgefühl. So viele Tage, Wochen, Monate und Jahre vergingen seitdem. Aber ich weiß, dass ich von dem Hörspiel beindruckt war.
Damals hatte ich keine Ahnung, wie mein Leben weitergehen sollte. Viel Licht sah ich nicht. Vielleicht hörte ich einfach auf zu leben an einem einsamen Nachmittag oder Abend in meiner Wohnung. Wozu die Sonne erneut aufgehen sehen? Ich brauchte die Stimmen im Radio, egal, was sie sagten. Am Liebsten waren mir aber Hörspiele oder Hörbücher. Manche Stimmen wie die des einmaligen Gert Westphal mochte ich besonders.
Gepriesen sei das Internet. Auf YouTube fand ich schnell eine gute Aufnahme von „Das Jahr Lazertis“. Fast hatte ich etwas Angst davor, dieses Relikt aus meiner Vergangenheit wiederzuhören. Was würde ich fühlen? Möglicherweise würde ich enttäuscht sein… Nein, das war ich nicht. Absolut nicht. Günter Eichs Hörspiel hatte für mich nicht an Kraft verloren. Unwillkürlich füllten sich bei manchen Sequenzen meine Augen mit Tränen. Ein Schatz hatte zu mir zurückgefunden.

Samstag, 17. November 2018

Höhe der Zeit


Gepriesen sei das Internet! Ich ließ mir meine Lebenszeit ausrechnen (mir war mal wieder so öde) - also nicht nur mein Alter in Jahren, das habe ich noch gerade so im Kopf, sondern etwas genauer. Hier das Ergebnis:
Ich lebe seit 1.764.720.000 Sekunden, oder 29.412.000 Minuten, oder 490.200 Stunden, oder 20.425 Tagen, oder 2.917 Wochen, oder 671 Monaten... Das sind noch ganz überschaubare Werte, finde ich. Heutzutage sind wir umgeben von Großen Zahlen. Es wird geklotzt, nicht gekleckert. Wir sind umgeben von Milliardären und finden das ganz normal. Die Weltbevölkerung wächst und wächst - bei wie viel Milliarden sind wir inzwischen? Wie viele Sterne hat die Milchstraße? – wie viele Galaxien das Universum? Größenwahn ist en vogue. Spätestens seit der Digitalisierung findet eine Inflation der Großen Zahlen statt. Ich erinnere mich an Zeiten zurück, da war für mich Tausend eine unvorstellbare Größe. Tausend Mark waren ein Vermögen! Wer kennt nicht den Spruch: Wenn das Wörtchen „Wenn“ nicht wär, wär mein Vater Millionär!* Heute zählen sich die Millionäre zur Mittelschicht. Friedrich Merz jedenfalls, der neue alte politische Emporkömmling, zwischenzeitlich Millionär, zählt sich zur oberen Mittelschicht. Offenbar ein sehr volksnaher Mann, dem man nur eine politische Karriere wünschen kann. Hat er sich doch verdient, oder?
Wir schmeißen mit Zahlen und Begriffen um uns, die wir gar nicht mehr erfassen können. Kein Schwein weiß, um was es geht. Man babbelt einfach nur noch nach, - und umso mehr man semantisch auf der Höhe der Zeit ist, desto mehr wird einem zugenickt. Ich lausche dann und wann gern Gesprächen meiner Mitmenschen, z.B. beim Fahren mit der Bahn, in der Kneipe/im Café oder auch am Arbeitsplatz, - also immer dann, wenn ich gerade nichts Besseres zu tun habe. Unglaublich, was ich da schon alles gehört habe. Über was reden die da? Kommen die von einem anderen Stern? Oder bin ich einfach zu blöd, sie zu verstehen? Nein, neben mir sitzen keine chinesisch sprechenden Chinesen (auch keine Spanier). Syntaktisch befinden sie sich weitgehendst in derselben Sprache, die ich auch spreche, aber…
Ich muss so ein Gespräch mal aufnehmen, damit ich direkt am Beispiel erklären kann, was ich meine. Möglich ist schließlich auch, dass ich Autist bin, ohne es zu wissen. Da lebe ich seit 20.425 Tagen und kriege nun raus, dass alles so ist, weil ich ein verfluchter Autist bin… Kann das sein?
Oder hinke ich der Zeit hinterher? Die Zeit ist aber auch verflucht schnell unterwegs, finde ich. Das merke ich vor allem an Wochenenden. Kaum habe ich mir überlegt, was ich am Wochenende machen will, ist es auch schon rum… und meine 2.918ste Woche in diesem Trauerspiel beginnt usw. usf.
Aber im Ernst jetzt: Die Zeit rast! Ich erinnere mich noch gut (als wäre es gestern gewesen), dass die Lehrerin vorne an der Tafel was erklärte, und ich absolut nichts davon mitbekam, obwohl ich hinhörte. Ehrlich, ich hörte hin! Ein Wunder, dass ich es bis zum Abi schaffte. Ein Mysterium. Alles ging so schnell. Bevor ich zu Ende überlegt hatte, was die Lehrerin meinte, musste ich bereits Bewerbungen schreiben. Ist erst ein paarhundert Monate her. Kann gar nicht fassen, dass mein Leben nun schon dreiviertelst vorbei sein soll**. Was habe ich eigentlich die ganze Zeit gemacht?



* auch bekannt als "hätte, hätte, Fahrradkette"

** wobei man die letzten zwei bis drei Achtel des letzten Viertels getrost streichen kann, weil man diese Zeit (wahrscheinlich) kaum noch Leben nennen kann

Donnerstag, 15. November 2018

TV-Tipp

"The Hateful 8", 22 Uhr 05, VOX

Mittwoch, 14. November 2018

Mittwochs-Worte

Das Herz von den Resten einer Liebe zu befreien, gleicht dem Ausmisten des Augiasstalls.

ein literarisches Tagebuch

Kontakt



User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

alien-lösung? da ging...
alien-lösung? da ging was an mir vorbei. ist aber eh...
bonanzaMARGOT - 17. Nov, 13:08
richtig. ich dachte nur,...
richtig. ich dachte nur, dass ich es meinen lesern...
bonanzaMARGOT - 17. Nov, 13:05
Wo ist denn das Problem?...
Wo ist denn das Problem? Durch die „Alien-Lösung” von...
C. Araxe - 7. Nov, 22:06
Wenn du ohnehin eine...
Wenn du ohnehin eine neue Blogheimat gefunden hast...kann...
rosenherz - 2. Nov, 13:51
Liebe Leser(innen)
Dieser Blog ruht fortan. Leider ist die Resonanz hier...
bonanzaMARGOT - 02. Nov. 19, 13:39
Zu den Rubriken (3)
28.10.2016 - ... 2019 - Reisen Back from Greifswald Aufgefangen Let zter...
bonanzaMARGOT - 14. Sep. 19, 08:36

Archiv

Mai 2024
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 
 1 
 2 
 3 
 4 
 5 
 6 
 7 
 8 
 9 
10
11
12
13
14
15
16
17
18
19
20
21
22
23
24
25
26
27
28
29
30
31
 
 
 
 
 

Neues in boMAs prosaGEDICHTE-Blog

Suche

 

Extras



prosaGEDICHTE (... die Nacht ist gut für die Tinte, der Tag druckt die Seiten ...)

↑ Grab this Headline Animator


Von Nachtwachen und dicken Titten

↑ Grab this Headline Animator



Status

Online seit 6093 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09