Dienstag, 23. Juni 2015

TV-Tipp:

"Tanguy - Der Nesthocker", 20 Uhr 15, Servus TV

Montag, 22. Juni 2015

Das Phänomen


Wir machten es uns zur Gewohnheit, Sonntagvormittags zum Frühschoppen ins Yorckschlösschen zu gehen. Dazu spazieren wir quer durch den Park am Gleisdreieck, durchqueren die Gleiswildnis (ein mit Bäumen und Gestrüpp bewachsenes Terrain, in dem wahllos Schienen vor sich hin rosten – auf Warnschildern am Wegesrand steht zu lesen: „Vorsicht Gleiswildnis, Betreten verboten!“) und erreichen binnen einer guten Viertel Stunde das Jazz-Lokal in Kreuzberg.
Gestern gab ein Musiker Dean Martin Songs zum Besten. Drinnen kann man zum Musikgenuss brunchen. Wir ließen uns allerdings draußen nieder und tranken Kreuzberger Bier. Auffällig sind zur Zeit die vielen Linden, die in Blüte stehen. Die Sonne kam zwischenzeitlich raus und wir betrachteten die Fußgänger, die vorbei promenierten. Viele gingen stracks in ein nahes Café und verließen dieses kurze Zeit später mit dicken Kuchenpaketen. (Es muss dort besonderen Kuchen oder besondere Torten geben.) Dumpf tönte die Musik aus dem Innenraum zu uns hinaus. Nach O.s anstrengender Woche tat es gut, den Tag ganz relaxt anzugehen. (Wie schön wir es doch hier haben, sagen wir uns dann.)
Nach dem Frühschoppen schlendern wir weiter die Yorckstraße entlang zum Mehringdamm. Auf dem Weg liegt eine interessante Gaststätte. Sie heißt „Kreuzberger Himmel“ und ist kirchlich geprägt – aber geschmackvoll und in unaufdringlicher Weise. Es gibt dort Andechser Bier vom Fass, und man kann gut und deftig speisen. O. aß eine Kleinigkeit…
Weiter auf dem Weg zur U-Bahn Station Mehringdamm begegnen wir einem Phänomen. Zuerst passieren wir einen Currywurst Imbiss, wo immer viel Andrang ist, aber noch eine längere Menschenschlange steht nur wenige Meter weiter bei einer Kebab Bude an. Die Leute warten dort stundenlang, um einen Gemüsedöner zu erwerben, als gäbe es in Berlin sonst keine Döner – dabei wimmelt es geradezu von Kebab-Imbissen. O. und ich machen uns über die anstehenden Menschen lustig. „Vielleicht ist ein Suchtmittel drin.“ „Ja, das sind Döner-Junkies.“
Wir leben in einer verrückten Welt voller seltsamer, unerklärlicher Phänomene und Gegebenheiten. In Berlin sieht man eine Menge davon. Oft sind es einfach die Menschen, die durch ihr Aussehen oder ihr Verhalten rätselhaft, beinahe dubios erscheinen. Man kommt aus dem Staunen gar nicht heraus.
Wenn wir in die Unterwelt der U-Bahn hinabsteigen, ist bereits Nachmittag. Wir überlegen uns ein Fahrziel, lassen uns treiben… Die Liebe ist auch so ein Phänomen.








Currywurst contra Gemüsedöner

Freitag, 19. Juni 2015

Beim Arzt


„Da werden Sie wohl wie ich noch etwas wachsen müssen“, sagte der Arzt, nachdem er sich meine Daten angeguckt hatte. Die Arzthelferin hatte vorher meinen Blutdruck gemessen und mich auf die Waage gebeten. Ich lächelte und entgegnete: „Dumm nur, dass wir im Alter eher schrumpfen.“
Als ich meiner Partnerin vom Arztbesuch berichtete, fiel mir ein, dass ich besser gesagt hätte: „Bei Ihnen hat das Wachsen offenbar nicht viel genutzt.“ Denn der Arzt überragte mich fast um einen Kopf. Ich erzählte ihm kurz von meinem Bluthochdruck, der Schwellung an der Fußsohle, und dem trockenen Husten, den ich seit ein paar Monaten habe. Er schickte mich zurück ins Wartezimmer und ich wartete auf den Lungenfunktionstest. Die Praxis lag in einem Altbau, die Zimmer hoch und luftig. Inzwischen saß mir nur noch eine Frau in mittleren Jahren gegenüber. Ihr Aussehen erinnerte mich an einen Affen. Sie sagte mir, dass sie aufhören müsse mit dem Rauchen, sie habe Asthma, aber Gott sei Dank keinen Krebs. Leider nähme sie zu, wenn sie nicht rauchte... Wir kamen ins Gespräch, bis ich wieder aufgerufen wurde. Die Arzthelferin wirkte leicht debil, aber sie bediente den Computer beim Lungenfunktionstest einwandfrei. Ich befolgte brav ihre Anweisungen. Schließlich war eine schöne Atem-Kurve auf dem Bildschirm zu sehen. „Es lohnt sich offensichtlich, dass ich nicht rauche“, sagte ich dem Arzt beim Abschlussgespräch. Ich hatte das Gefühl, dass er regelrecht froh war, etwas Positives sagen zu können...
Erleichtert sog ich die Luft ein, als ich wieder auf dem Trottoir stand. Gegenüber war eine Apotheke, wo ich das Rezept einlösen konnte. Ich bin immer froh, wenn ich einen Arztbesuch hinter mir habe. Man kommt nicht drum herum. Zurück zur Wohnung waren es nur wenige Meter.

TV-Tipp:

"The Big Lebowski", 20 Uhr 15, ZDF neo

Mittwoch, 17. Juni 2015

Die Welt - ein Durcheinandertal


(...) Gott wurde zu einer bloßen Idee (...) wieder spielte ihm die Theologie einen Streich: Sie idealisierte den Sohn Gottes. Die Huren und Zöllner wurden ihm weggedacht, bei denen er sich wohlgefühlt, deren Witze und Zoten er gehört und auch darüber gelacht hatte, er wurde nie als Mensch ernst genommen, sondern nur als Gott, der den Menschen spielte, weil er ein Gott war, der nie bei Weibern liegen durfte (...) Gottes Sohn wurde etwas Abstraktes, abstrakter noch als der Vater, aber auch etwas Kitschiges, ein Marzipanheiland am Kreuz (...) denk dir keinen Gott mehr aus, dann brauchst du dir auch keine Hölle auszudenken. Der Mensch braucht den Menschen und keinen Gott, weil nur der Mensch den Menschen begreift (...) Bei einem Physiker hatte er einmal gelesen, wenn die Wirklichkeit reden könnte, so würde sie keine physikalischen Formeln aufsagen, sondern ein Kinderlied singen, und so dachte er, wenn Gott sich zeigen könnte, wäre er etwas völlig Unbegreifliches, Abstruses wie das Paket Kaffee Oetiker Fr. 10.15 (...) die Welt war ein ständig anwachsendes, von ineinandergeschachtelten Weltallen gebildetes Welthirn, dessen einzelne Neuronen wiederum aus ineinandergeschachtelten Weltallen bestanden, deren jedes aus einem Ich bestand, das dieses Weltall dachte samt den Galaxien, Sonnen und Planeten, die es brauchte, um die Evolution in Gang zu setzen, die auf dem Weg über Einzeller, Vielzeller, Weichtiere, Wirbeltiere den Menschen erzielte, der in einem phantastischen Zirkelschluß wiederum das Weltall dachte und einen Gott, einen hundertköpfigen oder tausendfüßigen, einen vielnasigen oder einen aus Holz oder aus Gold, oder eine vielbrüstige Göttin, so viele Götter wie Weltalle (...)

zitiert aus den letzten Seiten Dürrenmatts Roman "Durcheinandertal"

Mittwoch, 10. Juni 2015

Zuhause


Die Sonne scheint auf das Kopfsteinpflaster meiner Straße. Der Verkehr scheppert langsam darüber hinweg. Bodenschwellen verhindern schnelles Fahren. Fremdländische Stimmen dringen zu mir durchs gekippte Fenster. Menschen hasten vorbei. Ich sehe auf ihre Köpfe (die Wohnung ist Hochparterre), eine Menge mit Kopftüchern. Wir nennen sie scherzhaft „Columbos“, weil die Frauen wetterunabhängig oft in ähnliche Mäntel, wie Inspektor Columbo einen trägt, eingemummelt sind. Vom nahen Spielplatz ist Kindergeschrei zu hören. Ich brüte vor mich hin, während meine Partnerin am Computer sitzt, um sich auf ihren Unterricht vorzubereiten. Ich mache mir Gedanken über den Kiez, in dem ich seit nunmehr einem guten Monat wohne. Man lebt sich langsam ein. Die Hauptschlagader bildet die Potsdamer Straße, wo alles sehr dicht aneinander gedrängt liegt: Imbisse, Supermärkte, Bäckerei, Restaurants, Cafés, Ramschläden, Friseure (alle paar Meter ein Haarschneider – unglaublich!)... Die meisten Geschäfte sind in türkischer oder asiatischer Hand. Nicht zu vergessen das Stundenhotel und der Straßenstrich. Anfangs fielen mir die Prostituierten gar nicht auf. Man sieht hier einfach zu viele Gestalten jeder Couleur, so dass man über vieles einfach hinweg schaut. Viele Menschen sind arm und schäbig gekleidet. Demgemäß ist es hier eine billige Gegend. Eine Schrippe ist beim Bäcker schon für 10 Cent zu haben. Und ein Herrenhaarschnitt beim türkischen Friseur liegt bei 10 Euro. Ich habe mich noch nicht entschieden, wo ich mir die Haare schneiden lassen soll. Es ist überfällig. Auch O. will einen Friseur für sich in der Nähe. Einen Termin beim neuen Hausarzt, der nur 100 Meter entfernt in meiner Straße liegt, machte ich vorhin aus - eine Gemeinschaftspraxis, eine Asiatin, ein Deutscher, beide Internisten. Meine Blutdrucksenker gehen langsam aus. Alles muss man an einem neuen Wohnort für sich neu finden, bis sich eine gewisse Bequemlichkeit oder Gelassenheit ergibt. Der Kiez rund um die Potsdamer Straße bietet eigentlich alles notwendige. Im Internet fand ich den "potseblog", auf dem viel Lokalkolorit zu lesen ist. Vieles ist sicher noch für uns zu erkunden. Nachher, nach O.s Seminar an der Uni, machen wir uns auf die Suche nach einem Friseur.
Wenn es nicht zu früh ist zu sagen: wir fühlen und ganz wohl hier. Es ist eine bunte und lebendige Gegend mit viel Abwechslung. Der Park am Gleisdreieck, der quasi um die Ecke liegt, bietet viele Möglichkeiten, um auch mal in der Sonne die Seele baumeln zu lassen. Zum Potsdamer Platz sind es nur 20 Minuten Fußweg. Und auf der anderen Seite, wenn man den Park quert, liegt schon Kreuzberg...
Zurück an meinen Schreibtisch: im Geiste schaue ich meine Straße rauf und runter. Eine Seite wird von Kastanienbäumen gesäumt. Die Bäume bieten Schatten, wenn wir von der U-Bahnstation oder vom Supermarkt schwitzend in der Sonne die letzten Meter nach Hause gehen. Ist es nicht seltsam? Wenn ich die Haustür öffne, blicke ich auf das Klingelschild, auf dem mein Name steht... Ich denke an O., meine Liebe, ich denke, dass alles wie ein Traum ist.

Dienstag, 9. Juni 2015

Ein Wochenende




ausgefüllt mit Sonne, Bier und Liebe

Freitag, 5. Juni 2015

Da fängt der Tag gut an


Als ich aus der Beuthstraße 7 hinaus auf den Gehsteig trat, fühlte ich mich leichter. Der Himmel leuchtete blau über den Straßenschluchten. Mein Weg führte mich erst zum Alex und dann weiter zum Hackschen Markt. Es war noch Vormittag. Die Plätze und Straßen füllten sich erst langsam. Ich hatte etwas Schiss gehabt vor dem Termin. Wie würde meine Arbeitslosen-Sache in Berlin weitergehen? Pünktlich 10 Uhr nahm ich im Warteraum Platz. Kaum saß ich, kam schon die Arbeitsvermittlerin um die Ecke und rief mich auf. Nach Begrüßung und Feststellung meiner Daten, eröffnete sie mir, dass inzwischen ein amtsärztlicher Bescheid vorliege, welcher im Ergebnis zu einer beruflichen Rehabilitation rät. Die Arbeitsvermittlerin besprach mit mir die weitere Vorgehensweise. Das könne allerdings dauern, sagte sie, und dann hätte sie außerdem bald ihren Jahresurlaub. Ich nickte bedauernd.

Am Hackschen Markt suchte ich mir einen Platz in der Sonne. Vorm Weihenstephaner war noch kein Mensch. Wahrscheinlich hatten sie gerade geöffnet. Gegenüber saß an einem Mäuerchen ein Straßenmusiker und spielte lässig seine Lieder. Nebenan waren Marktstände aufgebaut. Ich schaute auf die Kulisse, den S-Bahnhof und die Spitze des Fernsehturms dahinter. Gerne hätte ich O. umarmt und geküsst und ihr von der Agentur für Arbeit erzählt, aber sie unterrichtete in der Sprachschule.
Der Straßenmusiker war ein interessanter Typ, sympathisch. Seine Lieder plätscherten so dahin. Poesie und Herz lagen darin. Ich kaufte ihm zwei CDs ab. „Da fängt der Tag gut an“, lächelte er. Ich gab mich der Sonne und dem Bier hin. Einer alten Frau, die mich anbettelte, drückte ich zwei Euro in die Hand. Sie bedankte sich überschwänglich. Für einige Momente verloren Welt und Schicksal ihre Schwere.




Mo Calaz am Hackschen Markt

Mittwoch, 3. Juni 2015

Mittwochs-Weisheit

Je mehr der Mensch leidensfähig, das heißt tieferen Kummers fähig ist, desto mehr ist er Mensch.
(Miguel de Unamuno, 1864 - 1936, spanischer Philosoph, Dichter und Essayist)

ein literarisches Tagebuch

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