Samstag, 6. Juli 2019

Schrei(b)en


Das Schreiben hilft mir bei der Selbstreflexion. Ich durchdenke mich selbst und die Dinge, die mir widerfahren, bewusster, wenn ich sie aufschreibe. Ebenso bedeutet mir das Schreiben als Mittel des kreativen Ausdrucks sehr viel, – Fantasien und Träume festzuhalten, an ihnen zu basteln. Jahrelang schrieb ich voller Eifer Prosagedichte und Lyrik. Niemals ist, was ich schreibe, von meiner Person losgelöst, sondern stets eine Aufarbeitung meines Denkens und meiner Lebenssituation. Ich mag die „Echtheit“, – die Authentizität bei Menschen wie bei Sachen. Also z.B. Handarbeit lieber als maschinell Gefertigtes. Und bei Menschen mag ich vor allem die offenen und ehrlichen Wesen, und nicht die Opportunisten, Populisten/Demagogen und Karrieristen. Ich habe ein gutes Gespür dafür, die ehrlichen Wesen von den verlogenen zu trennen (außer ich bin verliebt). Schon als Kind mied ich das Umfeld der Großmäuler.
Wer nicht mit den Wölfen heult, läuft freilich Gefahr, alleine zu bleiben. Darum hat das Schreiben auf den Blogs für mich eine besondere Wichtigkeit. Hier kann ich, obwohl alleine, meine Erfahrungen mit anderen Menschen teilen. Ich fühle mich weniger isoliert. Auch als Einzelgänger brauche ich ein soziales Feedback, sonst verkümmern meine geistigen und emotionalen Kräfte – jedenfalls langfristig.
Ich will darum allen danken, die auf meinen Blogs lesen und kommentieren. Sie glauben vielleicht nicht, was mir diese Resonanz bedeutet.



1980, im zarten Alter von Sechzehn, verfasste ich folgenden Text:

Ich will schreiben – ein Pinselstrich – noch habe ich keine Vorstellung. Ich lasse mich treiben von meinem Charakter, meinen Eigenarten, schreibe Worte nur so, die nichts sagen, gar nichts – nur so – eine Komposition, ein Gemälde gekleidet in Phrasen meines Intellekts, meiner Gedankengänge…
Was davon ist echt? Wie viel davon von mir, ganz von mir und nicht von den anderen?
Ich lernte sprechen und schreiben, ich schreibe Phrasen, die bestehen aus ihren Worten; aus ihren Strichen, aus ihren Farben zeichne ich ab, was sie mir vorgeben, und ich zeige ihnen eine neue Konstellation, eine andere Einstellung zum Leben – mische neue Farben, zeichne neue Formen, bereichere diese Welt – ein endloses Puzzle. Ich, ein neues Teil, werde eingefügt in eine Lücke. Wer setzt es zusammen?


Tja


Anscheinend wurde ich bei meiner Fahrt durch Polen derart durchgeschüttelt, dass nun eine Taste meines Outdoor-Smartphones (von mir unbemerkt) abfiel. Ärgerlich, da ich das Teil erst vor einem Jahr kaufte. Ich werde es wohl einschicken – schließlich habe ich Garantie drauf.
Nachher bei der Morgentoilette werde ich mich mal etwas sorgfältiger im Spiegel betrachten. Kann ja sein, dass an mir auch etwas abfiel. Ein Ohr zum Beispiel, oder so ein anderes Kleinteil…
Nein, ganz im Ernst: Oft bemerkt man kleine Veränderungen erst nach Tagen oder Wochen. Dazu zwei Beispiele: Erst einige Monate nach dem Einbruch (November 2015) fiel mir in einem hellsichtigen Moment auf, dass der Einbrecher auch das Sparschwein mit dem Kupfergeld mitgehen ließ. Eigentlich war es vom Bett aus gesehen gut sichtbar auf dem Kleiderschrank gestanden.
Und aktuell, als ich wie jeden Werktag in der Kupferkanne meine Mittagspause machte, beim Bier verträumt auf die Steinmetzstraße schaute, wurde mir plötzlich gewahr, dass die eigentlich unübersehbare Litfaßsäule verschwunden war. Ich sprach Gabi, die Bedienung, darauf an, und sie sagte, dass die schon einige Tage weg sei. Auch sie hatte es nicht gleich registriert.
Typisch Wahrnehmungspsychologie – wir kriegen weniger mit, als wir denken, und unseren Erinnerungen dürfen wir sowieso nicht vertrauen. Vieles ist vom Gehirn getürkt.

ein literarisches Tagebuch

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