Samstag, 23. September 2017

Böse Nachbarn


Donnerstags sage ich zu meiner Kollegin: „Das Schöne am Donnerstag ist, dass morgen Freitag ist.“
Viele Kolleginnen machen freitags bereits gegen Mittag Feierabend. Sie sammeln sich dafür Plusstunden unter der Woche an. Daraus wurde ein regelrechter Sport. Einige beginnen sechs Uhr morgens mit der Arbeit, um möglichst früh gehen zu können.
Ich bin meist unter den letzten, die ins Wochenende starten, und finde es ziemlich demoralisierend, wenn eine nach der anderen in der Bürotür erscheint und sich verabschiedet.
Schließlich ist auch für mich Wochenende! Beschwingt flitze ich die Treppen hinunter zum Ausgang zur Potsdamer Straße, wo mein Fahrrad wartet.

Gestern freute ich mich besonders auf den Feierabend und die zwei Tage ohne Tumordokumentation. Ich war müde und hatte einfach genug. Vor der Haustüre traf ich auf einen Nachbarn, ein Pole, der in der ersten Etage wohnt. Er kann ziemlich aufdringlich sein. Ich bat ihn, vor mir hineinzugehen, weil ich mein Fahrrad im Schlepptau hatte. Aber er zog mich aus Höflichkeit an ihm vorbei in den Hausflur. Jetzt standen wir beide in beengten Verhältnissen, und er wollte noch an den Briefkasten, wofür ich umständlich mit dem Fahrrad rangieren musste. Ich war von dieser Aktion sichtlich genervt. Wäre er doch besser zuerst ins Haus gegangen und hätte mich kurz draußen warten lassen, wie es mein erster Gedanke war - aber nein, er musste ein Riesending daraus machen!
„Bist du Deutscher?“ fragte er in dieser Situation, was eindeutig eine Provokation war, denn er wusste, dass ich deutsch bin.
„Ja, dummerweise“, antwortete ich trotzig.
Darauf er: „Manche Menschen denken einfach zu kurz...“
„Ich denke bestimmt nicht zu kurz!“ Verärgert wuchtete ich mein Fahrrad in die kleine Kammer unter dem Treppenaufgang, welche mir als Abstellplatz dient. Kann sein, dass er darauf eifersüchtig ist, weil er für sein Fahrrad nicht diese Möglichkeit hat. Ausserdem glaube ich, dass er mir O. nicht gönnt.
Der Typ geht mir auf den Keks. Ich begegne ihm viel zu häufig. Immer hat er ein paar blöde Bemerkungen auf Lager. Er ist auf eine sehr unangenehme Weise kommunikativ und neugierig. Ich mag solche Menschen nicht, und er spürt das…
Aber gut, ich lasse mir die Laune nicht von einem Maulhelden verderben. Nachbarn kann man sich bekanntlich nicht aussuchen. Doch wie weit würden sie gehen, wenn sie einen auf dem Kieker haben? Diesen Polen schätze ich noch als harmlos ein. Ein anderer Mieter über uns macht mir mehr Kopfzerbrechen…

1 Uhr in der Nacht klingelte es an unserer Wohnungstür. Erst wollte ich gar nicht aufstehen. O. war gerade heimgekehrt. Sie geht mit ihren Kolleginnen/Kollegen nach der Arbeit gerne noch ein Bier trinken. Wer kann das zu dieser nächtlichen Zeit sein? fragte ich mich und lauschte.
O. erblickte durch den Türspion einen Nachbarn, der uns seit längerem nicht ganz geheuer ist. „Mache nicht auf“, flüsterte sie mir zu. Aber nachdem er immer wieder klingelte und klopfte, legte ich die Kette vor und öffnete die Tür einen Spalt.
„Bitte sagen Sie Ihrer Frau, dass Sie das zukünftig hier im Hausflur unterlassen soll!“
„Wie bitte?! Um was geht es denn?“ fragte ich schlaftrunken.
„Ihre Frau weiß schon, worum es geht. Sie kam doch vorhin nach Hause? Ich sah, wie sie hier hineinging.“
Ich war total irritiert: „Was hat sie denn gemacht??“
„Das will ich Ihnen nicht sagen. Aber sie weiß es schon.“
„Meinen sie diese Frau?“
O. stand inzwischen neben mir und mischte sich ein: „Was soll ich denn gemacht haben?!?“
„Gegenüber Ihrem Mann will ich das nicht sagen.“
Ich fühlte mich wie in einem schlechten Film. Um was ging es hier überhaupt? Dieser Nachbar war uns bereits früher aufgefallen, weil er oft mit ständig wechselnden Luxusautos mitten auf dem Gehsteig parkte. Strafzettel kassierte er trotzdem selten. Auch sein Umgang war, soweit ich es beurteilen kann, nicht gerade vertrauenserweckend. Es ist bekannt, dass in Berlin einige verbrecherische Klans zu Gange sind… Mir wurde immer unbehaglicher zumute.
Warum erklärte er mir nicht, um was es ging?
„Sagen Sie bitte Ihrer Frau, dass sie das zukünftig unterlassen soll“, wiederholte er, „Sie sind doch erst neu eingezogen.“
„Wir wohnen seit drei Jahren hier... Was soll meine Frau denn angeblich getan haben?!?“
Aber er beantwortete mir diese Frage nicht, und O. beteuerte, dass sie selbst nicht wisse, was der Stein des Anstoßes war. Sehr ominös das Ganze. Wie so oft in meinem Leben hatte ich das dumme Gefühl, dass etwas total an mir vorbei ging…
Warum können die Menschen nicht einfach sagen, was Sache ist? Scheiße!

Unnötig zu erwähnen, dass wir danach mit ziemlich unguten Gefühlen schlafen gingen. O. hatte Angst, und ich wusste nicht, was ich von all dem halten sollte.

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