Dienstag, 1. Dezember 2015

Ein totes Pferd kann man nicht reiten


Es reicht für ein oder zwei Flaschen vor der Schule. Die Bedienung hält mir schon das Bier entgegen, wenn ich eintrete. Ich setze mich gern etwas abseits. Ich trinke und schaue raus auf die Sonnenallee. Heute waren etliche abgerissene Figuren in der Kneipe, mit denen ich am besten den direkten Blickkontakt vermeide, weil sie sonst auf mich zu torkeln und mir ein Gespräch aufdrücken wollen. Ich spürte ihre Blicke auf mir. Ein Betrunkener stolperte neben mir und krachte auf den Boden. Die Bedienung forderte ihn auf, nach Hause zu gehen – „Du kriegst nichts mehr.“ Ein alter Säufer grinste mich an: „Das ist der Alkohol.“ Ich nickte stumm und nuckelte an meiner Flasche. Ich genieße das Bier vor der Schule. Ein Stück Freiheit. Was auch immer.

Gut fünf Minuten Fußweg zur Schule. Über den Innenhof, die Treppen hoch in den dritten Stock, nach der Eingangstür der Tresen, auf dem die Anwesenheitslisten der Kurse liegen, in die wir uns eintragen müssen. Der Gutenmorgengruß zur Sekretärin…
Vier Doppelstunden Qualitätsmanagement. Wir waren nur zu fünft in der Klasse. Vier sind krank und zwei steckten im Stau.
Die junge Lehrerin tat sich schwer damit, uns etwas über Qualitätsmanagement zu erzählen. Wir waren im Computerraum, und ich beschäftigte mich nebenbei mit Sudoku und schaute mir im Internet Winterschuhe an.

Eine Klassenkameradin: „Fiel Dir auch auf, dass so viele Penner unterwegs waren? Überall sieht man sie mit den Bierflaschen.“ „Irgendwo müssen sie ja hin“, erwiderte ich.
Monatsanfang. Es gab Geld. Klar, darum waren vorhin so viele in der Kneipe, dachte ich, sie versaufen ihre Stütze.

„Ich sehe schon, ich erreiche Sie heute nicht“, sagte die Lehrerin. Sie ist selbst im Zwiespalt. Sie könne verstehen, warum wir (nach unserer beruflichen Vorgeschichte) dem Qualitätsmanagement abgeneigt gegenüberständen, aber es sei doch trotz allem eine gute Sache…
Dumm nur, dass es diese Kluft zwischen Theorie und Praxis gibt. Ein totes Pferd kann man eben nicht reiten.

ein literarisches Tagebuch

Kontakt



User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

alien-lösung? da ging...
alien-lösung? da ging was an mir vorbei. ist aber eh...
bonanzaMARGOT - 17. Nov, 13:08
richtig. ich dachte nur,...
richtig. ich dachte nur, dass ich es meinen lesern...
bonanzaMARGOT - 17. Nov, 13:05
Wo ist denn das Problem?...
Wo ist denn das Problem? Durch die „Alien-Lösung” von...
C. Araxe - 7. Nov, 22:06
Wenn du ohnehin eine...
Wenn du ohnehin eine neue Blogheimat gefunden hast...kann...
rosenherz - 2. Nov, 13:51
Liebe Leser(innen)
Dieser Blog ruht fortan. Leider ist die Resonanz hier...
bonanzaMARGOT - 02. Nov. 19, 13:39
Zu den Rubriken (3)
28.10.2016 - ... 2019 - Reisen Back from Greifswald Aufgefangen Let zter...
bonanzaMARGOT - 14. Sep. 19, 08:36

Archiv

Dezember 2015
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
 
 3 
 5 
 6 
 9 
10
11
12
13
14
17
22
24
26
31
 
 
 
 

Neues in boMAs prosaGEDICHTE-Blog

Suche

 

Extras



prosaGEDICHTE (... die Nacht ist gut für die Tinte, der Tag druckt die Seiten ...)

↑ Grab this Headline Animator


Von Nachtwachen und dicken Titten

↑ Grab this Headline Animator



Status

Online seit 6230 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09