Dienstag, 19. Mai 2015

Beuthstraße 7


Dass ich das Dasein, insbesondere uns Menschen, rätselhaft finde, ist nichts Neues - wahrscheinlich von Geburt an. Gerne langweile ich meine Mitmenschen damit. Sie kommen mir oft furchtbar abgebrüht vor, als ob alles für sie ganz normal und überhaupt nicht zu hinterfragen sei.
Die Sachbearbeiterin in der Agentur für Arbeit, Beuthstraße 7, musterte mich und sagte: „Gestern hatten Sie den Termin wohl verpasst?!“ Ich kramte in meinem Beutel und reichte ihr die Einladung, welche dem heutigen Tag galt. „Sehen Sie!“ „Nun ja“, sie warf einen flüchtigen Blick auf das Schreiben, nuschelte etwas in Berlinerisch und verlangte meinen Ausweis. Ich sagte ihr, dass ich gestern den Termin im Bürgerbüro hatte, um mich anzumelden. „Und Sie beantragten auch gleich einen neuen Ausweis?“ fragte sie. „Natürlich, aber das dauert...“, und ich erzählte kurz nach, was mir der Sachbearbeiter auf dem Bürgerbüro Heiligensee (am Arsch der Welt) dazu erklärt hatte, nämlich dass er nur zehn Minuten Zeit habe und sowieso erst auf die Rückmeldung vom Amt meines alten Wohnortes warten müsse, was sicherlich bis zu vier Wochen dauern würde – und vorher könne er sowieso keinen Ausweis ausstellen. Die Frau von der Agentur für Arbeit nickte und ermahnte mich, dass ich jedenfalls ein gültiges Ausweisdokument brauche, notfalls ein vorübergehendes, denn mein Ausweis sei nur noch bis zum 15.06. gültig. „Bis zum 14.06.“, verbesserte ich sie. „Nun ja, danke jedenfalls, dass Sie heute hier waren“, meinte sie abschließend. Dafür war ich also 6 Uhr am Morgen aufgestanden, dachte ich, für fünf Minuten zum Vorzeigen meines Ausweises, dabei hatte ich mich vor zwei Wochen gleich nach meinem Umzug ordnungsgemäß in der Beuthstraße arbeitslos gemeldet – und die Dame war dieselbe. Ich eilte zurück zur U-Bahnstation Spittelmarkt, fuhr bis zum Alexanderplatz und genehmigte mir dort einen Kaffee. Irgendwo schrie ein Verrückter permanent „Scheiß Türken!“. Die Menschen strömten wie Ameisen hin und her. Im Hintergrund der Fernsehturm, der wie ein dürrer Zeigefinger in die Luft ragte. Der Tag wusste noch nicht, ob er hässlich oder schön werden wollte.

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