Dienstag, 3. Dezember 2013

Four Roses Gun Shot


Oberflächlich erscheinen mir meine Worte nach wiederholtem Lesen. Wo hört die Oberflächlichkeit auf? Jedes Eindringen in die Tiefe bringt nur neue Oberflächen hervor.
Ich höre alten Blues Rock - „Cream" - Live in der Royal Albert Hall (May 2005). Ich entschied, dass ich heute nicht mehr aus dem Haus gehe. Im Kühlschrank stehen zwei Bier und eine Flasche Ramazzotti – allerdings dreiviertel leer. Dann steht da noch seit einigen Monaten einsam und verlassen ein Four Roses Bourbon im Regal. Aus dem Nachlass meiner Eltern. Er war im Keller neben anderen Spirituosen, die meine Eltern geschenkt bekamen, gelagert. Sie tranken nur wenig Alkohol. Leider verhalf ihnen diese Tugend nicht zu einem längeren Leben. Aber sie lebten wenigstens gesünder.
Ich rief also das Altenheim an. (Ich erkläre hier nicht die Einzelheiten.) Ich hatte eine Kollegin am Apparat, die mir nur sagte, was ihr aufgetragen wurde. Es lief auf eine Erpressung hinaus …
Die Kollegin brachte es nicht übers Herz, mir die Hintergründe der Erpressung zu verschweigen.
„Tja“, sagte ich zu ihr, „dann komme ich doch lieber auf die Betriebsfeier, als eine Nachtwache zu schieben.“
„Tut mir leid“, sagte sie.
„Es braucht dir nicht leid zu tun“, sagte ich.
„Ich gebe also weiter, dass du dich auf die Feier morgen freust.“
„Ja.“
„Okay.“
„Bis morgen.“
„Tschüss!“
Wir redeten etwas mehr drumherum als hier wiedergegeben. Die Details sind uninteressant. Wie meist.

Die größte Angst, die ich habe, ist, dass man mich auf der Feier morgen fotografieren wird.
Vorsorglich werde ich meinen Colt mitnehmen. Obwohl eine Kalaschnikow bei dieser Gelegenheit sicher besser wäre.

...


Ich denke an Wellen, die am Strand auslaufen, an ihren Schaumkranz auf dem Sand. Am Horizont die schmale Rauchfahne eines Bananendampfers. Meine Eltern schauen mich an, während ich mich umziehe. An der Wand hängt ein Bild von ihnen, das sie mir nach ihrer Goldenen Hochzeit schenkten. Ich schaue zu ihnen rüber, als ich in die Hose schlüpfe. Ich kann gar nicht nicht hinschauen. Ich sollte das Altenheim zurückrufen. Vorhin klingelte das Telefon. Die Sonne blinzelte durch die Rollladenschlitze. Ich ließ es klingeln. Wann schlafen Nachtwachen? Diese Frage fiel mir spontan ein. Mein Herz klopfte. Ich wälzte mich im Bett hin und her. An Einschlafen war nicht mehr zu denken. Eine Stunde später klingelte das Telefon erneut. Es ist noch zu früh, dachte ich, und ließ es klingeln.
Ich laufe am Strand entlang, gerade so dicht am Wasser, dass die Ausläufer der größeren Wellen meine Füße umspülen. Gestern notierte ich: „Wir schlafen auch, wenn wir nicht schlafen. Darum erscheint uns das Leben oft wie ein Traum.“ Ich weiß, dass ich keine Ruhe bekomme, wenn ich das Altenheim nicht zurückrufe. Schattenarme umklammern mich. Die Nacht lässt mich nicht los. Die Alten lassen mich nicht los. Das Altenheim verfolgt mich. Konsterniert schaue ich auf den Bildschirm meines Computers.
...
Es gibt kein Aufwachen aus diesem Schlaf. Oder? Mir fallen die Alten ein, wie sie dem Tod entgegentreiben. Ich setze mich auf einen Stein und schaue aufs Meer. Der Bananendampfer verschwand hinterm Horizont und nahm meine Sehnsüchte mit. Jedenfalls einen guten Teil von ihnen. Dann greife ich zum Telefon und rufe das Altenheim an –

ein literarisches Tagebuch

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