Sonntag, 28. Juli 2013

Fuck it!


Immer wieder erschrecke ich über die körperliche und geistige Degeneration alter Menschen.
Als besonders belastend empfinde ich die Beobachtung des geistigen Abbaus bei Demenz – und natürlich den Umgang mit diesen Menschen. Auch für die Alten, die noch klareren Verstandes sind, ist es ungeheuer enervierend und beängstigend, die dementen Mitbewohner im Altenheimalltag zu erleben. Viele ziehen sich darum lieber nach den Mahlzeiten schnellstmöglich wieder auf ihre Zimmer zurück. Ich höre sehr oft Sätze wie „Alt werden ist nicht schön“ oder „Warum holt mich der liebe Herrgott nicht endlich zu sich“. Für mich ist es dann nicht einfach, die richtigen Worte zu finden. Trost bedeutet in solchen Fällen einfach nur da sein, die Hand halten, etwas Nettes sagen oder ablenken. Mit einer Greisin kann ich über diese Erfahrungen offen reden. Wenn sie sagt, dass sie am Liebsten sterben würde, schwingt in ihren Worten keinerlei Selbstmitleid mit. Gestern Abend, als ich sie zu Bett brachte, hatten wir mal wieder das Thema, ob ein solches Leben noch lebenswert sei. Ich sagte, dass wir mit unseren Haustieren oft gnädiger verfahren, aber Euthanasie sei eben ein heißes Eisen. Die alte Dame stimmte mir zu. Wir lachen viel – trotz der ernsten Themen. Sie besitzt einen ausgeprägten Galgenhumor. Am Meisten schätze ich an ihr, dass sie nicht wie viele in Gejammere und Selbstmitleid verfällt. Obwohl ich mit ihr einige Arbeit habe, ist sie mir weniger Last sondern eher eine Freude in der Nacht. Es gibt nicht mehr viele unter den Bewohnern, mit denen noch ein ordentliches Gespräch möglich ist. Die meisten fokussieren im Gespräch ständig ihr Leid und ihre Beschwerden. Und ich entgegne mit Plattitüden wie „Die Nacht wird auch vorbei gehen“ und „Versuchen sie zu schlafen“, oder ich verweise auf den Hausarzt. Manchmal bleibt das Wehklagen der Alten buchstäblich an mir kleben. Ich schleppe es mit nach Hause, nehme es mit in meinen Tag und in mein Denken. Ich frage mich nach dem Sinn des Ganzen. So langsam bin ich reif für die Insel.

Beim Großen Preis von Ungarn drehen die Formel 1 Boliden ihre Runden in der Sommerhitze. Vielleicht ist Ablenkung das Beste. Und wenn es so was Dämliches wie ein Formel 1 Rennen ist. Den Kopf frei kriegen für eine Zeit. Fuck it! Auch dieser Nachtwachenblock wird rumgehen.

ein literarisches Tagebuch

Kontakt



User Status

Du bist nicht angemeldet.

Aktuelle Beiträge

alien-lösung? da ging...
alien-lösung? da ging was an mir vorbei. ist aber eh...
bonanzaMARGOT - 17. Nov, 13:08
richtig. ich dachte nur,...
richtig. ich dachte nur, dass ich es meinen lesern...
bonanzaMARGOT - 17. Nov, 13:05
Wo ist denn das Problem?...
Wo ist denn das Problem? Durch die „Alien-Lösung” von...
C. Araxe - 7. Nov, 22:06
Wenn du ohnehin eine...
Wenn du ohnehin eine neue Blogheimat gefunden hast...kann...
rosenherz - 2. Nov, 13:51
Liebe Leser(innen)
Dieser Blog ruht fortan. Leider ist die Resonanz hier...
bonanzaMARGOT - 02. Nov. 19, 13:39
Zu den Rubriken (3)
28.10.2016 - ... 2019 - Reisen Back from Greifswald Aufgefangen Let zter...
bonanzaMARGOT - 14. Sep. 19, 08:36

Archiv

Juli 2013
Mo
Di
Mi
Do
Fr
Sa
So
12
19
31
 
 
 
 
 

Neues in boMAs prosaGEDICHTE-Blog

Suche

 

Extras



prosaGEDICHTE (... die Nacht ist gut für die Tinte, der Tag druckt die Seiten ...)

↑ Grab this Headline Animator


Von Nachtwachen und dicken Titten

↑ Grab this Headline Animator



Status

Online seit 6280 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 15. Jul, 02:09