"Der Name der Leute", 22 Uhr 15, BR
bonanzaMARGOT
- 27. Jul. 13, 16:48
Gerade blitzte die Frage im TV auf: „Können Sie sich vorstellen, Bundeskanzler zu werden?“ Spontan antwortete ich stellvertretend in Gedanken: „Nein! Aber ich stellte mir damals auch nicht vor, Altenpfleger zu werden.“
Nein, ich werde sicher nie Bundeskanzler (keine Angst). Es gehört schließlich ein Weg oder zumindest eine Gelegenheit dazu, etwas Bestimmtes zu werden. Zur Altenpflege kam ich, weil ich Zivildienst machte. Ich wollte die Gelegenheit nutzen, einmal ein Altenheim von innen zu sehen. Ich war geschockt - und konnte mir wirklich nicht ernsthaft vorstellen, dass ich diesen Beruf eines Tages erlernen und viele Jahre ausüben würde. Nun, man gewöhnt sich nicht an alles aber an viel. Und so blieb ich auch nach dem Zivildienst der Altenpflege treu, weil sie mir als Broterwerb neben meinen diversen Studiengängen diente. In meinen alten Beruf - ich machte gleich nach dem Abi eine Ausbildung zum Technischen Zeichner - wollte ich nicht zurück. Ich wusste nach der Schulzeit einfach nicht, was ich machen wollte; und so kam ich zu diesem von mir eher wenig geliebten Ausbildungsberuf Technischer Zeichner. Ich gehörte zu den Jugendlichen, die keinen Plan für ihre Zukunft hatten. Die Ausbildung half mir, die Bundeswehr vor mir herzuschieben und etwas unabhängiger von den Eltern zu werden.
Wenn man gute Kollegen und Kolleginnen hat, ist eigentlich jede Arbeit halbwegs erträglich. In der Altenpflege lernte ich einige nette Altenpflegerinnen kennen. Als Mann war ich damals in diesem Metier noch der Hahn im Korb. Inzwischen gibt es circa ein Drittel Pfleger.
Ich arbeitete also 50% im Nachtdienst während meiner Studienzeit; und hätte ich jemals ernsthaft studiert, wäre es sicherlich bei diesem Job als Altenpflegehelfer geblieben. Im besten Falle wäre ich heute Diplompsychologe. Psychologie war der letzte und ernsthafteste Versuch auf eine akademische Laufbahn. Da hatte ich aber bereits meine Altenpflegeausbildung hinter mir. Für das Studium war ich nicht ehrgeizig genug – gebe ich offen zu. Ich habe nicht genug Biss. Vielleicht hätte ich mich trotzdem durchwurschteln können, aber mir saß noch die Schulzeit wie ein Albtraum im Nacken, in der ich mich auch mehr schlecht als recht abgemüht hatte. In der Altenpflegeausbildung, die ich berufsbegleitend machen konnte, war ich dagegen eher unterfordert. Ich begann sie motiviert und schloss nach drei Jahren gelangweilt und genervt aber erfolgreich ab. Zum Feiern sah ich keinen Anlass. Immerhin hatte ich den Schein. Ich bin seitdem examinierter Altenpfleger.
Warum erzähle ich das eigentlich alles? Ach ja, es ging um den Weg. Man wird nicht einfach etwas. Ein Weg führt dorthin, wo man ist. Bei mir war er mitunter ziemlich holprig. Aber ich hatte im Großen und Ganzen noch Glück, denn im Prinzip bin ich der geborene Tunichtgut. Das Ehrgeiz-Gen fehlt mir fast vollständig, dafür habe ich eine Professur in Tagträumerei (die habe ich erfunden). Ich kann also nicht ganz unglücklich mit meinem Weg sein, weil ich meist meiner Bestimmung folgte. Freilich wünschte ich mir manchmal, kein Altenpfleger zu sein. Die psychische Belastung in dem Beruf ist hoch. Es gibt einen hohen Frust-Faktor. Man wurschtelt sich so durch …
Ich bin mir wirklich nicht sicher, ob das mein Platz bis zur Rente bleiben soll. Doch wie damals habe ich keine andere Idee (außer einem Bankraub). Es kommt auch drauf an, wer (oder was) einem noch so über den Weg läuft.