Das Haus ist verkauft. Das Elternhaus ist verkauft. War es mein Elternhaus? Zu einem Teil, weil meine Eltern darin wohnten, dort ihren Lebensabend verbrachten. Für mich ist es eine Vergangenheit wie aus einem anderen Leben. Die Berührungen bleiben. Ich fühle keine Abneigung. Hass sowieso nicht. Das Kapitel ist abgeschlossen, und doch lebt es in den folgenden Kapiteln weiter. Ganz selbstverständlich.
Das Haus ist verkauft, aber es wird weiter bestehen. Ich lernte die Käufer kurz kennen. Sie haben ihre Vorstellungen, wie sie sich ihr neues Zuhause gestalten wollen – was völlig legitim ist. Ich bin dankbar, dass der Verkauf des Hauses schnell und relativ reibungslos über die Bühne ging. Mögen die neuen Besitzer dort glücklich werden.
Der Verkaufstermin fand am Vormittag nach meiner Nachtwache statt. Ich war ziemlich übernächtigt. Es kommt mir heute vor, als hätte ich alles nur geträumt. Dazu die Hitze. Und der lange Vertragstext, den der Notar uns vorlas. Irgendwie unwirklich. Formalien über Formalien.
Das Haus ist verkauft. Ich besaß es nie.
All jene, deren Ehen und langjährige Beziehungen baden gingen, schauen neidisch auf den ewigen Junggesellen, weil der das Scheitern vorwegnahm - erst gar nicht heiratete und auf Familie machte. Wer gesteht sich schon gern das Scheitern eines Lebensideals ein? Also schlittern viele geradezu Hals über Kopf in den nächsten Beziehungsschlamassel, das heißt, sie heiraten den nächstbesten – beziehungsweise wollen sich gleich wieder fest binden. Es kann gar nicht schnell genug gehen. Dem ewigen Junggesellen wollen sie damit sagen: Schau her, alles kann freilich schiefgehen, aber darum gebe ich nicht gleich auf! Außerdem habe ich aus meinen Fehlern gelernt.
Ich denke jedoch bei mir: Wirklich? Dein Fehler ist, dass du Männer fürs Familienalbum suchst, anstatt dich gegenüber dem Leben mit seinen Konventionen zu emanzipieren. Es wird nie den richtigen Mann geben sondern nur Illusionen oder Fata Morganas. Du wirfst denen Unreife vor, die nicht auf dein Lebenskonzept eingehen, und selbst träumst du noch mädchenhaft von dem Traumprinzen, den starken Schultern, an die du dich anlehnen kannst.
Menschen müssen in die Rollen passen, die man ihnen zugedacht hat. Auch ich machte diesen fatalen Regie-Fehler immer wieder. Die Liebe schönt die Umstände. Ich glaube, dass die Fehler, die ich beging, unabdingbar waren. Liebesbeziehungen sind immer erst mal Experimente, die schief gehen können. Wechselnde Partnerschaften halte ich für das Normale – während der Partner fürs Leben eher die Ausnahme darstellt. Auf Anhieb den richtigen Partner zu finden, wäre ein ziemlicher Glücksfall. Die Ehe ist eine gesellschaftliche Konvention, die nicht mehr recht in die heutige Zeit passt. Sie zwingt dem Menschen etwas gegen sein Naturell auf. Früher lebten die Menschen in vielerlei gesellschaftlicher Zwangsjacken. Es erschien den Menschen normal und sogar vernünftig, sich diesen Regeln zu unterwerfen. Religion, Vaterlandsliebe und Traditionen wurden ihnen zur zweiten Haut. Heute dagegen denken wir in Kategorien von Freiheit, Selbstbestimmung und Toleranz – ich weiß, noch lange nicht überall. Aber die Weichen dazu wurden vor über zweihundert Jahren in der Epoche der Aufklärung gestellt. Wir tun uns etwas schwer, die Erkenntnisse der Aufklärung umzusetzen, aber wir sind (trotz mancher Rückschläge) immer noch auf dem Weg.
Die Ehe hat als gängiges Lebenskonzept ausgedient. Deswegen wird sie nicht gleich aussterben. Andere Lebensentwürfe werden sie allerdings von der gesellschaftlichen Pole-Position verdrängen. Ohne Reibereien finden solche Veränderungen nicht statt. Dazu gehören Generationenkonflikte und Kulturkämpfe.
Die Liebe ist ein großes Experimentierfeld. Glücklich ist, wer die Liebe fürs Leben fand. In der Zwischenzeit heißt es Ausprobieren und seinem Herzen folgen. Und man sollte sich von dem Druck befreien, unbedingt den richtigen für sich finden zu müssen. Trotz der vielen Niederschläge, die ich in Liebesbeziehungen erlebte, war doch die Liebe (fast) jedes mal echt und wunderschön!