Alles ist gut
Ich sehe mich selbst umherirren … durch die Flure und Zimmer des Altenheims, treppauf, treppab im Zeitraffer – gerade so, als wäre ich eine Laborratte in einem Labyrinth. Zwei Notfälle in drei Nächten. Die Hitze hängt in den Bewohnerzimmern. Immer wieder renne ich zu einem Bewohner, der orientierungslos in seinem Zimmer steht. Er ist stark sturzgefährdet. Ich packe ihn wieder zurück ins Bett - wieder und wieder. Zwischendurch stehe ich am Medikamentenschrank und schütte Millionen Pillen in Medikamentenbecher. Der Schweiß läuft mir den Rücken hinunter. Es ist kein Traum. Der Rettungswagen kommt. Ich helfe, eine Bewohnerin vom Bett hinüber auf die Trage zu wuchten. Ich frage mich, warum ich das alles mache. Ein letztes Mal gehe ich durch die Zimmer, wechsele Windeln, helfe Bewohnern auf die Toilette, schiebe Bettpfannen unter Gesäße, fange demente Bewohner in den Fluren ein, halte sie an der Hand, tröste.
Der Morgen bringt Kühle. Die Vögel zwitschern. Nur noch die Dokumentation am Computer, die Tropfen für den Frühdienst richten, den Kaffee anstellen, die Außentür öffnen, Kalenderblätter abreißen. Ich schaue auf die Uhr – das Ende der Nacht ist in greifbarer Nähe. Komm langsam wieder runter, denke ich bei mir, - ich hab`s wieder geschafft. Die Kollegen und Kolleginnen laufen langsam ein, Stimmen und Lachen, Türen gehen, Husten, Guten Morgen, Begrüßungen, die Dienstübergabe. Für einen Moment habe ich das Gefühl, dass ich nicht in mir stecke. Ich sehe mich selbst umherirren … hinunter zu den Umkleideräumen gehen, den Spint aufschließen, wie ich die Dienstklamotten ausziehe, meine Tasche packe, und hinaus. Hinaus. Alles ist friedlich. Alles ist gut.
bonanzaMARGOT
- 18. Jul. 13, 15:43
- Nach der Nachtwache ist vor der Nachtwache