Die Notiz
„Einer der letzten fünf Tiger fraß mich gestern ...“
Manchmal schießen mir Gedanken durch den Kopf, die ich notiere, weil ich sie originär finde oder weiterspinnen will. Bei dieser Notiz komme ich aber einfach nicht drauf, was ich mir dabei dachte.
Außerdem schrieb ich mir auf: „Sehr geehrter Herr, Ihre Geburtszeit war um 8 Uhr 25.“ Ob diese Zeitangabe wirklich stimmt? Tatsächlich fragte ich gestern beim Standesamt nach. Ich wusste, dass es morgens gewesen war - aber nicht die genaue Uhrzeit. Fragt mich bitte nicht, warum ich nachfragte. Wahrscheinlich hatte ich Langeweile. Nein, schon lange wollte ich meine Mutter nochmals darauf ansprechen, denn erzählt hatte sie es mir irgendwann mal. (Nun ist sie leider tot.)
Solche Zeitpunkte sind etwas besonderes, finde ich. Ich wurde um 8 Uhr 25 geboren. Wow! Es ist jetzt eine viel genauere Vorstellung, als nur den Tag zu wissen. Bei einer astrologischen Anfrage wollen sie doch die Uhrzeit – auch wenn ich nicht an Astrologie glaube, aber wer weiß? Vielleicht fordere ich mal spaßeshalber mein Horoskop an. Es hat seinen Reiz, wenn man über solch verrückte Zusammenhänge nachdenkt.
„Einer der letzten fünf Tiger fraß mich gestern ...“ Warum zum Teufel habe ich mir das notiert? Weil es eine witzige Vorstellung wäre, von einer durch den Einfluss der Menschen aussterbenden Tierart gefressen zu werden? Aber warum gestern – also eigentlich vorgestern? Ich lebe noch. Und es kreuzte auch kein Tiger meinen Weg. Womöglich fand ich einfach den Satz gut, so wie man einen einzelnen Pinselstrich gut finden kann, ohne zu wissen, was folgen soll. Ich lass es am Besten einfach so stehen. Manche Sachen finden erst später oder gar erst viel später ihre Bedeutung. Wie das eigene Leben, die Welt, das Universum. Ich bin selbst so eine unerklärliche Notiz. 8 Uhr 25 wurde sie an einem Wintertag vor fünfzig Jahren in die Welt gesetzt.
bonanzaMARGOT
- 10. Jul. 13, 16:06
- boMAs Gedichte und Texte