Montag, 1. Juli 2013

Die Lady im Bus


Ich fahre viel mit dem Bus. Durch die Arbeit habe ich ein Jobticket, dass ich auch privat nutzen kann, und dass im gesamten Verbundnetz gilt. Prima Sache. Auf meiner Linie begegnen mir manche Fahrgäste seit Jahren immer wieder. Darunter befinden sich auch ein paar Dummschwätzer. Ich meine die Dummschwätzer, die vorne beim Fahrer stehen oder sitzen und den voll labern und dabei den ganzen Bus unterhalten. Meistens sind es Männer, Alkoholiker oder Pensionäre, etwas heruntergekommen im Aussehen, - oder Ureinwohner, die jede Neuigkeit aus dem Dorf wissen und mit der Welt teilen müssen. Die meisten Fahrer lassen sich das sogar gefallen. Wahrscheinlich ist ihnen langweilig von der öden Herumfahrerei. (Mir würde es nicht im Traum einfallen, ein Gespräch mit dem Busfahrer anzufangen, zumal es verboten ist, mit ihm während der Fahrt zu sprechen.) Manche dieser Gestalten scheinen den ganzen Tag nur Bus zu fahren, denn immer wenn ich einsteige, sind sie auch im Bus. Auf meiner Buslinie fallen sie mir jedenfalls besonders auf. Ich denke aber, dass man diese Typen überall im Lande antrifft. Oder nicht? Sonst wäre hier ein Nest.
Umso mehr war ich gestern erstaunt, als ich statt eines heruntergekommenen, ungepflegten Individuums an der Stelle eine sexy Lady sah. Der Weihnachtsmann fuhr – ich nenne ihn so, weil er einen langen, weißen Rauschebart hat, - sympathischer, älterer Kerl, der nie die Tickets kontrolliert. Als ich noch kein Jobticket hatte und bezahlen wollte, winkte er einfach ab. Jedenfalls stand die Lady neben ihm und versuchte ihm während der Fahrt etwas zu erklären. Um was es dabei ging, konnte ich nicht verstehen. Sie schienen sich zu kennen, aber ich sah diese Frau zum ersten Mal im Bus. Vielleicht seine Tochter? Möglich. Mir sah es eher nach einer wie auch immer gearteten Bekanntschaft aus. Ganz jung war sie nicht mehr. Beim Einsteigen hatte ich kurz einen Blick auf ihr Gesicht werfen können. Sie machte einen etwas nuttigen, verlebten Eindruck.
Mit ihren Stöckelschuhen und hautengen Jeans stand sie ziemlich aufreizend in meinem Blickfeld, so dass mir die Idee kam, ein Foto zu machen, - natürlich, ohne dass die Beiden es merken sollten. Ich glaube, die Lady wollte vom Weihnachtsmann einen Rat, weil sie ihm irgendwelche Papiere zeigte. Vielleicht ist der Weihnachtsmann ja nur im Nebenberuf Busfahrer.
Meine Haltestelle kam, und ich musste aussteigen. Plötzlich sagte eine kräftige Stimme: „Ich wünsche Ihnen noch einen schönen Abend!“ Die Stimme kam vom Weihnachtsmann. „Danke“, sagte ich nach einem kurzen, erschrockenen Moment. Ich fühlte mich ertappt. Hatte er gemerkt, dass ich sie fotografiert hatte? Mist! Am Ende denkt er, ich wäre ein notgeiler Spanner. Mit diesen blöden Gedanken im Kopf eilte ich zur Kupferkanne. Die Abendsonne schien. Die Terrasse der Pizzeria war offen. Bei einem italienischen Salat wartete ich den Beginn meiner Nachtwache ab.




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