Gunter Sachs schoß sich in den Kopf
Gunter Sachs schoß sich in den Kopf. In seinem Abschiedsbrief nennt er das Motiv: Er fürchtete, an der Alzheimerdemenz zu erkranken.
"In den letzten Monaten habe ich durch die Lektüre einschlägiger Publikationen erkannt, an der ausweglosen Krankheit A. zu erkranken.
Ich stelle dies heute noch in keiner Weise durch ein Fehlen oder einen Rückgang meines logischen Denkens fest – jedoch an einer wachsenden Vergesslichkeit wie auch an der rapiden Verschlechterung meines Gedächtnisses und dem meiner Bildung entsprechenden Sprachschatzes. Dies führt schon jetzt zu gelegentlichen Verzögerungen in Konversationen.
Jene Bedrohung galt mir schon immer als einziges Kriterium, meinem Leben ein Ende zu setzen.
Ich habe mich großen Herausforderungen stets gestellt.
Der Verlust der geistigen Kontrolle über mein Leben wäre ein würdeloser Zustand, dem ich mich entschlossen habe, entschieden entgegenzutreten.
Ich danke meiner lieben Ehefrau und meiner engsten Familie sowie meinen in tiefer Freundschaft verbundenen Weggefährten, mein Leben wundervoll bereichert zu haben.
Gunter Sachs" (Quelle faz.net)
Mir war Gunter Sachs nur aus der Regenbogenpresse bekannt als "der letzte Playboy Deutschlands". Sicher führte er ein bewegtes Leben. Er kam viel rum und war stets gut situiert, - ein Mensch, der es gewohnt war, im Leben Regie zu führen. Nun drohte der geistige Zerfall. Zumindest glaubte er dies. Offensichtlich stellte er eine Selbstdiagnose. Wenn das mal kein Fehler war, denn es gibt z.b. auch Demenzsymptome bei Depression.
Er wollte den Moment nicht verpassen, wo er sich selbstbestimmt das Leben nehmen kann. Vielleicht war er auch lebensmüde mit 78. Hinzu kam die Angst vor einem würdelosen Greisendasein als Pflegefall, das nichts mehr mit der Person gemein hätte, als die er sich sehen -, und als die er bei den Menschen in Erinnerung bleiben wollte.
Ich habe Hochachtung vor seiner Entscheidung. Einziges Manquo ist, dass er seinen Verdacht nicht ärztlich durch eingehende Untersuchungen und Tests absichern ließ. Falls sein Leichnam obduziert wird, läßt sich feststellen, ob er tatsächlich an Alzheimer erkrankt war.
Im Altenheim betreue und pflege ich viele Alzheimerkranke. Es ist nicht einfach. Die Krankheit ist grausam. Der Geist zerfällt in seine Einzelteile, - so scheint es mir. (Ein lebenslang zusammengefügtes Puzzle bricht auseinander.) Die Menschen verlieren nach und nach die örtliche, zeitliche und situative Orientierung, ihr Sprachvermögen und die Bewegungsfähigkeit. Im Endstadium sind sie bettlägerig und werden künstlich ernährt. Der Krankheitsverlauf kann sich über viele Jahre erstrecken, wo der Betroffene intensiver Pflege und sozialer Betreuung bedarf.
Ob ich den Mut hätte, mir eine Kugel durch den Kopf zu schiessen, - gesetzt den Fall? (Diese Frage stellen sich vielleicht nun viele.)
Gunter Sachs starb aufrichtig. Wenn auch eventuell verfrüht. In den Medien wird in der Folge noch viel darüber diskutiert werden. Den Anfang machte gestern Abend die Sendung "Hart aber fair".
Als Altenpfleger wünsche ich mir, dass die Pflege gerade von Demenzkranken weit mehr finanziell unterstützt wird. Wir haben im Altenheim viel zu wenig Personal, um die Sicherheit und die nötige soziale Betreuung von demenzkranken Bewohnern zu gewährleisten. Dieser Mißstand ist zwar hinlänglich bekannt, aber seit Jahren wird nur geredet, geredet, geredet ...; auf eine entscheidende Verbesserung der Pflegesituation warten wir bis heute.
Alzheimer betrifft immer mehr Menschen. Wir können uns vorher erschießen, oder wir stellen uns ohne Wenn und Aber den Problemen, um wenigstens eine anständige Pflege leisten zu können.
bonanzaMARGOT
- 12. Mai. 11, 12:06
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