Muschel fand ich keine Einzige an den Stränden. Der Sand war dunkel vom Vulkangestein. Entweder spazierte ich an der Küste Richtung Playa del Inglés, oder ich unternahm Tagesausflüge per Bus nach Puerto Rico, Puerto de Mogán und Las Palmas. Ich konnte mich am Licht und an den Farben nicht satt sehen. Es war ein Fest der Sinne mit Bierpausen in den unzähligen Bars und Kneipen. Ich hatte von Yuri Herrera „Der König, die Sonne, der Tod“ im Gepäck. Die letzten Seiten dieser wunderbaren Romantrilogie las ich im Flugzeug auf der Rückreise. Alle paar hundert Meter gab es Shoppingcenter, kleineren und größeren Formats, mit Nobelboutiquen oder Billigmärkten. Manche sahen von außen recht skurril aus - wie Vergnügungsparks. Auf meinen Busausflügen bemerkte ich auch einige Bau- und Umweltsünden: Touristenburgen, die geschmacklos aus dem Boden gestampft bereits wieder zerfielen. Die Inselvegetation war karg. In der Hauptsache Kakteen und halbhohes Gestrüpp. Etwas grüner war es nur an der Küste in den von Menschenhand angelegten Parks und Gärten. Bereits auf dem Transfer vom Flughafen zum Hotel fielen mir die Vorstädte um Las Palmas auf, die aus der Entfernung wie bunte Containeransammlungen auf Müllhalden wirkten. In den Industriegebieten prangten die immer selben Embleme der Weltkonzerne: Ikea, Mac Donalds ... und wie sie alle heißen. Die Öde der Landschaft, die schroffen Berge, die halb im Dunst lagen, und die Armutssiedlungen sollten meine ersten Eindrücke von Gran Canaria sein. Im Bus war es stickig und heiß. Neben mir eine Reisende, die widerwärtig scharf nach Knoblauch stank. Ich glaubte dieselbe Frau wiederzuerkennen, von der ich mich wegen ihrer unangenehmen Ausdünstung wegsetzte, als ich am Gate des Frankfurter Flughafens wartete. 13 Stunden dauerte meine Reise, als ich endlich im Hotel eincheckte: eine halbe Stunde Taxi zum Bahnhof, Warten am Bahnhof, eine Stunde Zugfahrt zum Flughafen, eine halbe Stunde im Shuttle Bus zum richtigen Terminal, Warten in einer Riesenschlange vorm Schalter der Fluggesellschaft, Zollkontrolle und wieder Warten am Gate, über sechs Stunden im Flugzeug, davon knapp fünf in der Luft – der Flug startete eine Stunde verspätet, weil einige Passagiere wegen einer Bombendrohung im Terminal aufgehalten wurden - , schließlich noch aufs Gepäck warten und eine Stunde im Transferbus vom Airport Las Palmas zum Hotel in St. Agustin. Uff! Was man nicht alles macht, um Weihnachten am Meer und in der Sonne zu verbringen, dachte ich, als ich die Schiebetür zu meinem Balkon aufdrückte und aufs Meer schaute.
Meine wenigen Sachen hatte ich schnell verstaut. Ich schlüpfte in die kurzen Hosen und schlappte Richtung Strand, bevor die Sonne unterging. Ich war angekommen.