Wo bin ich?
Ich hangele mich von einem Gähnorgasmus zum nächsten. Ich frage mich, woher diese Schwäche und Abgeschlagenheit kommt. Die letzten zwei Nächte verliefen relativ ruhig. Es gab nur die üblichen Arbeiten. Werde ich langsam zu alt für dieses Nachtwachen-Leben? Wahrscheinlich ist man dafür aber nie im richtigen Alter. Kein Arbeitskollege ist zur Zeit scharf auf die Nachtdienste. Sie laugen einen aus. Es ist ein Mischmasch aus körperlicher und psychischer Erschöpfung. Dabei würde ich mich als ziemlich robusten Typen bezeichnen. Aber das ist vielleicht auch nur eine Etikette. Man ist sich selbst das größte Rätsel. Alle Menschen drehen sich im Kreis – wie Derwische. Die Alten reden von Krankheit und Sterben, von der Last am Leben zu sein, von der Bürde des Alters. Ich höre zu und entgegne Plattitüden. Ich sehe sie in ihren Betten liegen, gelähmt, spastisch verkrümmt mit aufgerissenen Augen, irre. Hinter jeder Tür ein anderes Schicksal, eine Horror-Karikatur des Lebens, - menschliche Ruinen, die an dem festhalten, was noch da ist. Alles dreht sich im Kreis – mit der Erde, durch die Tage und Nächte. Ein einsamer Tanz in Raum und Zeit, durch Vergeblichkeit und Hoffnung.
Ich blinzle müde in den Tag, versuche mich zu sammeln. Ich sehe mich selbst hier sitzen vorm Computer ... und im nächsten Moment im Altenheim funktionieren. Ich habe vergessen, warum ich dies alles mache. Ich wundere mich darüber, während ich weitermache. Es gibt kein Entkommen. Nur die Nacht. Sie hat eine tröstende Hand. Die Nacht ohne Schlaf, allein wie ein Astronaut in der Umlaufbahn der Erde. Die Nacht macht mich vergessen, wo ich bin ...
bonanzaMARGOT
- 28. Mai. 12, 17:03
- Nach der Nachtwache ist vor der Nachtwache
Und die versprechen ein Entkommen aus dieser Tretmühle - zumindest sehe ich das so...