Wie man sich mit Gedanken über das Warten die Zeit beim Warten vertreibt


Ich warte. Auf den Vermieter. Er hat seinen Vater im Schlepptau, weil der Handwerker ist. In meinem Bad leckt eine Wasserleitung leicht.
Sie sind schon seit fünfzehn Minuten überfällig.
Ich warte nicht gern, weil ich währenddessen den Kopf nicht frei kriege. Warten ist noch schlimmer als Langeweile. Bei der Langeweile warte ich eigentlich auch auf etwas – nämlich auf mich selbst bzw. auf Einfälle oder auf Antrieb oder auf ein Wunder.

Nun sind sie endlich da. Hoffentlich besetzen sie nicht zu lange mein Bad.

Ich sitze vorm Computer und warte, dass Abend wird. Ich habe Nachtdienst. Den ersten nach einer Woche Frei. Eine Art Hamsterrad dreht sich in meinem Kopf.

Im TV Angela Merkel, ihres Zeichens deutsche Bundeskanzlerin - sie spricht auf der Westbalkankonferenz. Die grüne Bluse und der beige Sakko stehen ihr. Dazu trägt sie passend eine Halskette mit grün schimmernden Halbedelsteinen.

Der graue Vorhang des Tages lässt ein paar Sonnenstrahlen durch. Angenehm berührt blicke ich auf das Farbenspiel im Blätterwald vor meinem Fenster.
Der Vermieter und sein Vater werkeln noch in meinem Bad. Ihre Stimmen dringen durch die Wand dumpf und unverständlich zu mir.

Plötzlich klopft es. Sie sind fertig! Fast fertig. Das Ganze muss noch mehrmals begutachtet werden.

Ich finde, dass das ganze Leben nichts als Warten ist. Man vergisst es nur manchmal – was ich ganz gut finde. Oft kann man es aber nicht vergessen, z.B. in Arztpraxen und Ämtern oder an Bushaltestellen oder beim Warten aufs Bier - keine Ahnung, wie viele Stunden ich schon in Kneipen, Gaststätten und Cafés auf mein Bier wartete. Da kommen bestimmt Jahre zusammen.
Irgendwann hat dann alles Warten ein Ende, was sehr sehr tröstlich ist.

Die Alten im Altenheim warten auf ihren Tod. Sie wissen, dass sie dieses letzte Wartezimmer nicht mehr verlassen werden. Die Einen haben es lieber schnell hinter sich, und die Anderen sträuben sich lange davor. Der Tod nimmt nur die, die loslassen wollen oder letztendlich müssen. Es ist ein bisschen wie eine Geburt nur vom anderen Ende aus gesehen. Wir werden sehen. Schließlich sind wir alle mal dran.

Ich verstehe nicht, dass die Menschen sich noch zusätzlich in Kriegen meucheln. Das Leben ist schnell genug vorüber. Was für einen Sinn macht es, für eine Idee, fürs Vaterland oder für einen Gott zu sterben? Vielleicht machen die Menschen Krieg, weil ihnen die Warterei im Leben auf den Geist geht - weil sie keinen Sinn darin sehen. Warum dann nicht einfach Selbstmord? Wozu auch noch die Mitmenschen ins Unglück stürzen, die damit gar nichts am Hut haben? Ach so, bei Selbstmord kommt man nicht ins Paradies … und man bekommt auch kein Heldengrab.
Nach dieser Idioten-Logik kann man freilich jeden Krieg und jedes Töten rechtfertigen. Es ist die Logik eines Amokläufers. Man versucht der eigenen Verzweiflung zu entgehen, indem man tötet und Verzweiflung sowie Leid unter seine Mitmenschen bringt. Die ideologische oder religiöse Rechtfertigung ist nur ein billiges Alibi.

Warten kann freilich auch eine schöne Spannung beherbergen, wenn ein schönes Ereignis naht - eine Erfüllung oder Befriedigung wie z.B. beim Sex. Das Warten kann sogar schöner sein als das Ereignis selbst, welches man erwartet. Wir sprechen dann von der Vorfreude.

Auch verändert sich das Warten mit der Zeit des Wartens.

Es kommt eben ganz drauf an, auf was man wartet – bewusst und drängend wartet. Mit Druck auf der Blase in einer Schlange vor einer Toilette zu stehen, ist sehr unangenehm.
Andererseits nehmen manche Menschen stundenlanges Warten in Kauf, um dem Papst oder ihrem Popidol einmal im Leben leibhaftig zu begegnen. (Idiotisch – oder?) Da warte ich doch lieber auf Godot.

Nun habe ich etwas Zeit mit Gedanken über das Warten totgeschlagen. Mal auf die Uhr schauen. Es ist bereits früher Nachmittag. Die Erde dreht sich unweigerlich unter der Sonne weg, bis Abend ist. Jeden Tag dasselbe. Für die Einen ist das schlicht beruhigend aber für die Anderen eher eine ätzende Penetranz. Das Wasserglas ist halbvoll oder halbleer. Wenn ich beim Biertrinken bin, neige ich zu der Betrachtung, dass das Glas halbleer ist …

la-mamma - 29. Aug. 14, 14:21

ich wart ganz gerne auf erkenntnisse. die lassen sich mitunter ganz schön zeit;-)

bonanzaMARGOT - 29. Aug. 14, 14:28

das habe ich prinzipiell aufgegeben, auf erkenntnisse zu warten. ich muss froh sein, wenn mir keine erkenntnisse verloren gehen. aber wer weiß schon, was erkenntnisse sind, und ob man sie überhaupt als solche wahrnimmt.

auf welche erkenntnisse wartest du?

manchmal, wenn ich im altenheim nachtwache schiebe, gehe ich auf die terrasse, schaue in den nachthimmel und warte auf ufos.

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