Lange-Weile - 10. Jul. 09, 16:27

Sommergewitter

Hallo Bo.,
mit der Trennung von langjährigen Arbeitgeber verhält es sich so, wie mit einer Ehe. Erst gibt es einen Riss und das ächst sie sich quälend weiter durch die Zeit, bis es eines Tages unerträglich wird. Und trotzdem stellt jeder die Frage, wenn er vor derEntscheidung einer Trennung ist, wie soll es danach weiter gehen? Und diese Frage schon allein sagt zumindest in der Arbeitswelt, das erst mal kein Land in Sicht ist.

Und genau da liegt der Punkt, an dem die Arbeitgeber ansetzen - der Arbeitnehmer sieht keine andere Alternative als sich der übermächstigen Führungskraft zu beugen, den Frust in sich rein fressen und Schnauze halten, denn immerhin hecheln schon ..zig andere auf den eventuell Arbeitsplatz. Und ihre vielleicht schon lang anhaltende Arbeistlosigkeit hat sie noch unterwürfiger gemacht und mit ihrer Unterwürfigkeit kann der Riemen noch straffer gezogen werden.

Wenn es mit den Finanzen Probleme gibt, werden sie Menschen rabiat und davon hat deine Führungsriege reichlich in Peddo.

Ich frage dich, was willst du noch da? Dich weiter quälen oder quälen lassen? Sie werden die Daumenschrauben immer enger stellen. Wenn der letzte Zug, den sie am letzten Dienstag gemacht haben, verschmerzt ist, dann drehen sie weiter daran - einen Grund dafür findet sich immer.

In meinem Umfeld hatten auch einige mit Altenpfelge zu tun und bis auf eine - meine Schwägerin macht nur Nachtschicht - haben alle bisher großen Stress gehabt. Irgendwie flogen immer die Fetzen und die Ursachen waren sicher die Finanzen.

Auch im Fernsehen berichteten sie davon, dass zum Beispiel der Pflegesatz für die Hauspflege viel zu gering ist und das Personal eingentlich nur von einem zum anderen nur noch hetzen kann. Für einen Wortwechsel mit den Alten fehlte die Zeit. Also ingesamt hab ich nicht viel gutes aus dem Bereich gehört, denn der Kampf der Konkurenten um den "Alten" ist unerbittlich - jedes dieser Unternehmen möchte den Pflegesatz haben.

Wenn man an den Punkt gekommen ist, an dem du jetzt steckst, ist es Zeit darüber nachzudenken, ob man diesen Job noch weiter machen will. Ich denke, dass das Klima in anderen Altenheimen nicht wesentlich besser ist, den die Finanzkrisen durchziehen ja alle Wirtschaftsbereiche. Ich bin kein Pessimist, doch denke ich, dass in erster Linie hinter jedem Alten nur das Geld gesehen wird, was er mit ins Heim bringt.

Dann stellt sich noch einen andere Frage. Falls du dich einem Neuanfang stellst, was würdest du gern tun wollen?

Eine jusriste Unterstützung würde ich auf jeden Fall in Anspruch nehmen. Zum einen lebst du nicht mehr in der schrecklichen Lähmung, von der du schreibst und zum anderen ist es immer gut, falls es zu einer Entlassung kommt oder du selber kündigst, kann das vielleicht eine 3-montaige Sperre verhindern.

Burn-Out etwickelt sich ja aus einer permanet Überlastung bzw. Überforderung. Doch worin sieht du für dich die gefahr einer möglichen Überforderung?
Psychologsiche Unterstützung macht vielleicht Sinn, wenn man vielleicht selber "Leichen im Keller" hat - also unverarbeitete traumatisierende Erlebnisse, die an die nagen oder wenn du dich nicht in der Lage fühlst, einen Konflikt zu lösen, denn in einem Konflikt steckst du grad und ich denke, dass du jetzt am Zug bist.

Wenn ich in früheren Zeit ausgeholt habe - das tat ich nur, wenn man mich zu arg in die Enge trieb - dann kam an dem Platz kein Unkraut mehr hoch ;-).

Als ich in solch einen Konflikt vor Jahren mit meinen Chef stand, hab ich im alles vor die Füße geworden, unter dem Motto : "Mach deinen Scheiß allein !!!!". Das war nicht die feine Art aber es hat unsere Zusammenarbeit für die nächsten Jahre auf brauchbare Beine gestellt - also mehr recht als schlecht.

Machmal muß man sich einfach zu Wehr setzen - egal welche Konsequenzen sich daraus ergeben. Dann friss eben für 3 Monate den Kitt von den Fenstern, statt dir deinen Körper voll Frust zu pumpen bis es dir das Herz zerreißt. Ein einmal erkanntes Ziel durchsetzen, auch wenn sie erst mal negative Konsequenzen nach sich ziehen, befreit von Angst und Unterwerfung.

Wer mit einem Donnerwetter geht, hinterläßt Spuren und diese nützen vielleicht den anderen und doch dich befreit es vom dem Druck durch den Frust wie ein erfrischendes Sommergewitter.

Gruß LaWe

bonanzaMARGOT - 11. Jul. 09, 18:33

liebe lawe, danke für deine lange antwort.
es tut gut, wenn einem menschen aus dem näheren und mittleren umfeld den rücken stärken, einem mut machen, moralisch wieder aufrichten, und vorallem zuhören.

burnout deswegen, weil wir in der pflege schon seit jahren in einer überforderungssituation ohne ausgleich und ohne supervision bzw. psychische betreuung arbeiten.
natürlich geht damit jeder anders um. viele wollen gar nicht registrieren, dass sie im prinzip schon sehr lange burnout sind - denn bei einem solchen eingeständnis müsste man ja was ändern ...
je nach psychischer und körperlicher konstitution wird man dann früher oder später krank.

wenn geldinteressen des arbeitgebers im vordergrund stehen, leidet darunter meist die menschlichkeit und toleranz. in der altenpflege (aber allgemein im gesundheitswesen) wird seit jahren immer stärker kapitalistisch gedacht und gehandelt. das kriegen nicht nur wir mitarbeiter sondern auch die bewohner zu spüren. natürlich gab es schon immer pflegemißstände, aber noch nie war das spagat zwischen dem, was man angeblich an qualität in der pflege leisten will und dem, was hinten rauskommt, so eklatant groß.
heuchelei und lügerei sind nicht die ausnahme sondern normalität. vorne hui - hinten pfui.

wie gesagt: die leidtragenden sind dabei immer die schwächsten: die alten und pflegebedürftigen, und das pflegepersonal, was am bewohner arbeitet. mit ansteigendem druck, das unmögliche leisten zu müssen, verflechtet man sich dann selbst in lügen ... und macht sich schuldig. wenn`s mal so weit ist, haben solche arbeitgeber leichtes spiel. die meisten von uns sind still, weil sie sich dann auch angreifbar machen ... man muß sich zwangsläufgig selbst in die tasche lügen.
auch ich habe jahre lang runtergeschluckt, erst als zivi und pflegehilfskraft; später wars mit ausbildung dann noch frustrierender, weil man "wissend" noch schlechter wegschauen kann.
schließlich wechselte ich in den nachtdienst, weil ich mir das am tage nicht mehr mit anschauen konnte. nachts waren da nur ich (damals zu zweit) und die bewohner(innen). da ich teilzeit arbeite, gingen trotz einigem unmut über die arbeitssituation einige jahre ins land ...

und nun platzt aber dieser knoten, der ja schon sehr lange in mir rumort und macht ...
dieses blog gründete ich u.a darum, um mir einiges von dem, was ich als altenpfleger und nachtwache erlebe, von der seele zu reden.

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