Die schöne Kassiererin
Wie viel Schönheit gibt es auf der Welt
nach dem Dienst im Altenheim
der letzte Hauch von Leben
in Pergamenthaut
verkrüppelt von Gischt und Langeweile
zwischen dem Waschen, den Mahlzeiten
und dem Gang zur Toilette
der Geruch von Ausscheidung
die Augen der Alten blicken kaum mehr
in diese Welt
Zurück nach der Schicht
beim Einkauf im Supermarkt schaue ich
mit Begierde auf
die jungen Körper
und bin stolz auf die eigene, junge
gerade Gestalt
die Menschen um mich herum scheinen mir
alle vertraut
ich spüre eine große Zuneigung
warm und tröstlich
die Supermarktregale beachte ich kaum
die Welt ist schön!
ich beschenke mich mit einer
Teetasse
An der Kasse sitzt dieses wunderbare Geschöpf
welliges, blondes Haar fällt auf ihre
Schulter
ihr Blick niedergeschlagen
die Wangen leicht gerötet
ich gebe meiner Stimme den weichsten und
schönsten Klang, als ich sage:
"Noch eine Tüte
bitte."
(1987)
bonanzaMARGOT
- 25. Okt. 08, 13:59
- boMAs Gedichte und Texte
Hi Farbedermacht,
in Pergamenthaut
verkrüppelt von Gischt und Langeweile
zwischen dem Waschen, den Mahlzeiten
und dem Gang zur Toilette
der Geruch von Ausscheidung
die Augen der Alten blicken kaum mehr
in diese Welt
Ist das Leben in einem Pflegeheim für viele nicht einfach nur noch das Warten auf den Tod? Ich habe Angst, dass ich den Zeitpunkt verpasse, an dem ich meinem Leben noch selber ein Ende setzen kann, bevor es unerträglich wird.
Ja, Farbedermacht,
Es ist wirklich ein Dilemma, dass wieder mal das Geld letztendlich die Qualität der Pflege bestimmt. Die Verantwortlichen wiegeln dies natürlich ab. Es ist wie in der Politik: Von Außen läßt sich leicht Reden schwingen.
Ich habe aber Bilder vor Augen, von alten Menschen, die morgens angezogen werden, im Rollstuhl in den Aufenthaltsraum gefahren werden und den ganzen Tag dort verbringen. Ich habe Berichte meiner Kollegin im Ohr, die von der Pflegekraft erzählt, die nachmittags um drei das Abendessen fertig macht und die alten Menschen bettfertig macht, weil sie später keine Zeit dazu hat.
Wir haben in unserer Gesellschaft ganz grundsätzlich den falschen Umgang mit alten und mit sehr alten Menschen.
Einer schöne Kassererin....
Farbedermacht,
Wenn ich immer nur eine negative Haltung zu meiner Arbeit und den Umständen hätte, würde ich sehr schnell ausbrennen. Zur Zeit habe ich sehr (mit mir) zu kämpfen ...
Was dir deine Kollegin erzählte, ist sehr dicht an der Realität.
Solange sich Pflege quasi selbst über die Pflegesätze rechnen soll, bleibt es eine Quadratur des Kreises.
Ich verstehe nicht, dass eine Gesellschaft Milliarden für das Militär ausgeben kann, sich aber keine (flächendeckende) menschenwürdige Pflege in Heimen leisten kann.
Na so ein Zufall, Sturznest,
Du hast mit Dir zu kämpfen? Ich kann das verstehen, ich las anderswo einen Eintrag von Dir, der mir viel Stoff zum Nachdenken gab. Es ist nur der fehlenden Zeit geschuldet, dass ich dazu noch keine Mail geschrieben habe. Und wenn es um etwas ganz Anderes geht - Du kannst mir gerne schreiben, wenn Du denkst, dass es Dir hilft.
Das mit dem Geld ist ein Problem - und wird ein immer größeres. Wir sind damit noch nicht am Ende. Wir setzen die falschen Prioritäten und missachten die massiven gesellschaftlichen Veränderungen, die unser Leben begleiten.
Seit einiger Zeit habe ich engeren Kontakt zu einem bekannten Politiker und sehe seitdem alles noch viel kritischer als vorher. Diese Herren haben doch schon lange jeden Kontakt zur Realität verloren....
Na ja, ich nähere mich immer mehr dem Punkt,
Ich habe keine Lust mehr auf diese ganze Tretmühle. Um die Alten tut es mir freilich leid - seit ich vor über 20 Jahren das erste Mal im Altenheim arbeitete - tausend Sachen wurden eingeführt und wieder abgeschafft; wenn du sehen mußt, wie die Einstellung flöten geht, dass junge Pflegekräfte bereits ausgebrannt sind; wenn du die Pflegekonzepte und -leitfäden liest, aber die Wirklichkeit eine ganz andere ist ... wenn dich deine Vorgesetzten im Regen stehen lassen und nur wieder Druck machen ...
Ich werde müde.
Danke Sturznest,