rosenherz - 18. Sep. 08, 22:44

Auch wenn Magermilch etwas ausgedünntes ist, ohne Vollmilch gäbe es auch keine Magermilch. Außerdem, bedenken Sie, neben der Magermilch fällt noch ein Produkt an, das wir Menschen als wertvolles Lebensmittel schätzen : Butter.

Ob ein Partikel Wissen für einen Menschen nützlich ist oder nicht, hängt davon ab, in welchem Kontext der Mensch lebt und was er will. Also was er zum Ziel erkoren hat. Ich nehme ein einfaches Beispiel: Jemand will sich Suppe kochen. Nennen wir diese Person Pertan.

* Lebt Pertan im Urwald Amazonas wird Pertan sich das nötige Wissen aneignen, wie er/sie über den Lagerfeuer eine Suppe zubereiten werden kann.

* Befindet sich Pertan auf einer Hochalm in den Schweizer Bergen, wo einzig ein mit Holz zu befeuernder Herd vorhanden ist, wird Pertram jenes Wissen suchen, mit dem er auf einem Holzherd kochen kann. Beispielsweise: Wie muss das Holz sein? Trocken genug. Klein genug, dass es in den Ofen passt. Er muss wissen, wie viel er in den Ofen tun muss, um das Feuer am Brennen zu halten, aber den Ofen nicht zu überhitzen, aber doch genügend Hitze entwickelt, um eine Suppe kochen zu können. Und Pertan braucht das Wissen, an welche Stelle der Kochtopf stehen muss, dass die Suppe kocht aber nicht überkocht.
Das sind jetzt nur ein paar Wissenspartikel für eine simplen Vorgang wie Suppe kochen. Aber dazu braucht es noch viel mehr, nämlich auch das Wissen, welche Produkte zu einer geschmackvollen Suppe verwendet werden können und wie diese zu behandeln sind, dass es Suppe wird.

* Lebt Pertan in einer Wiener Reihenhaus mit Gasherd, braucht Perta das nötige Wissen, wie der Gasherd ordungsgemäßt betrieben wird, damit's auch wirklich Suppe wird und kein Wohnungsbrand.

* Campt Pertan im Urlaub, ist das nötige Wissen über den Camingkocher gefragt.

Sie sehen, das nötige Wissen hängt mit dem Umfeld und dem Ziel zusammen. Wollen Sie beispielsweise als Gärtnerin kräftig rote Kartotten mit glatten Wurzeln ernten, brauchen Sie das nötige Wissen dazu, wie Sie gärtnerisch arbeiten müssen, damit Sie Karotten ernten können. Wenn Sie sich dabei um Wissen über den Bau einer Franzis-Turbine umsehen, wird das das Ziel der Karotten verfehlt. An diesem Beispiel wird sichtbar, wie Wissen mit dem angestrebeten Ziel zusammenhängt.

Ich finde ihre Haltung gegenüber dem Wissen ein wenig hochmütig. Wir leben in einer Zeit, den der Wissen für viele Menschen viel leichter zugänglich ist, als vor zehn, fünfzig oder hundert Jahren. Außerdem ist viel mehr geschriebenes Wissen im Umlauf, was früher über die Erzählung weitergegeben worden ist.
Einerseits erleben wir einen Zuwachs an Wissen, das schriftlich abrufbar ist und global zugänlich geworden ist, andererseits geht dabei reginales Wissen verloren. Wissen, das einen direkten und konkreten Bezug hat zum Ort, zu dem Menschen am Ort und der Natur an diesem Ort.
Wir erleben eeinerseits eine Zunahme an Wissen, und andererseits eine zunehmende Zerstörung der existenziellen Lebensgrundlage Boden.

Ihre Aussage: "dass alte Menschen immer verwirrter werden, ist somit zwingend - ein Naturgesetz" sei, halte ich für übertrieben. Verwirrung ist kein Ergebnis von Labensjahren und Wissensansammlung, sondern ein komplexer psychischer und körperlicher Prozess. Man weiß bereits, dass Demenz eine Folge von Schwermetallablagerungen im Gehirn ist. Der menschliche Körper kann normalerweise nämlich die über die Nahrung und über Zahnfüllungen aufgenommenen Schwermetalle nicht von sich aus ausscheiden, sondern lagert sie im Körper intelligent dort ab, wo sie möglichst wenig Schaden anrichtet, nämlich möglichst weit weg von den inneren Organgen, die rasch geschädigt würden von den Giften.

bonanzaMARGOT - 20. Sep. 08, 17:32

Rosenherz,

ich fange mit den Schwermetallablagerungen im Gehirn an. Mir ist nicht bekannt, bzw. ich wüßte nicht, dass Demenz abschließend damit erklärt werden kann. Mein Wissen unterscheidet sich in diesem Punkte von dem Ihren.
Da ich kein Neurologe bin, will ich aber Ihr Wissen auch nicht als unrichtig hinstellen.

Erleben wir wirklich eine Zunahme an Wissen, wie Sie im vorletzten Absatz sagen? Darum ging es mir doch gerade in meinen Ausführungen "Wer weiß", dass das Wissen nur scheinbar anwächst. Diesen scheinbaren Anwachs des Wissens erkläre ich mit seiner gleichzeitigen Ausdünnung. Also: Man hat mehr Suppe, aber die Einlage vermehrte sich nicht wirklich. Was man heute als ein Mehr-Wissen anpreist ist nur anderes Wissen. Denn ständig verlieren wir auch Wissen von früheren Generationen und Kulturen - dabei ist auch entscheidend, was ich "lebendiges Wissen" nenne, also das Wissen, welches wir im Kopf haben, welches "Pertan" im Kopf hat.
Jede Generation hat ihr spezielles Wissen, das aber sicher nicht mehr ist als das einer früheren Generation, sondern lediglich ein anderes. Wissen hängt, wie Sie richtig sagen, mit Umfeld und Situation zusammen. Früher mußte Pertan seine Suppe auf einem offenen Feuer kochen, heute muss er einen Elektroherd bedienen können.
Hochmütig ist meine Haltung deswegen, weil ich das Wissen lieber näher am Leben sehe und nicht näher an einer virtuellen, künstlichen Welt. Ich werte das Wissen der heutigen Generation ab, aber ich werte nicht die Menschen ab. Als Mensch wird man in eine Zeit hineingeboren und muß sich mit dem dargebotenen Wissen und den Lebensumständen arrangieren.

Es ist richtig: Ohne Vollmilch gäbe es keine Magermilch. Und auch keine Butter und keinen Käse. Ich liebe Käse.
Wenn Sie im Supermarkt am kilometerlangen Kühlregal vorbeiwandern, Rosenherz, sagen Sie selbst, sind all diese Produkte nötig, die Sie dort aufgereiht sehen? Beschleicht Sie dabei nicht der Verdacht, dass irgendwas gründlich schief läuft, und zwar direkt vor Ihrer Nase?
Findet die Entwertung und Ausdünnung nicht überall statt, und wir haben uns daran gewöhnt, wie wir uns daran gewöhnten, dass es hell wird, wenn wir den Lichtschalter drücken?
Was bedeutet Wissen? Kann Wissen wertfrei sein? Darf es wertfrei sein?
Meine (leicht) polemische Kritik an der heutigen Wissensgesellschaft ist eng gekoppelt an meinem Gefühl der Entfremdung des Menschen von der Natur. Wir leben auf einer Erde, die in Fläche und Resourcen begrenzt ist, aber der Mensch macht so, als könne er die Erde unbegrenzt ausbeuten und malträtieren. Ich wage die These, dass viele Naturvölker in "gesundem" Einklang mit ihrer Umwelt lebten, so dass diese nicht geschädigt wurde. Das Wissen jener Naturvölker würde ich als "dick" und nahrhaft gegenüber dem Wissen der sogenannten zivilisierten Welt bezeichnen.

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