Zusammengekratzt
Ich komme vom Nachtdienst nach Hause und habe den Punkt erreicht, wo ich trotz Müdigkeit nicht schlafen kann. Die Konzentration fällt mir schwer. Ich fühle mich wie durch eine Wand aus Watte von der Wirklichkeit getrennt. Die Gedanken schleppen sich durch meinen Kopf, ein wenig wackelig. Wie schön wäre es, sich an einen warmen Körper zu schmiegen, ein Lächeln zu empfangen. Ich schalte den TV ein, damit ich nicht allein mit der Stille bin. Eine Dokumentation über Ausschwitz läuft. Zeitzeugen berichten von ihren Erlebnissen. Man könnte das Kotzen kriegen.
Ich öffne eine Dose Bier. Das Feierabendbier. Da sitze ich. Nach einer Nachtwache im Altenheim. Mitten im Leben und doch am Rand. Es ist ein bisschen wie Zugfahren. Ich fuhr am Einschlaf-Punkt vorbei. Ich fuhr an einer ganzen Menge vorbei. Beinahe fuhr ich mit dem Bus an meiner Haltestelle vorbei. Meine Busbegleiterin sagte: „Ich glaube, Sie müssen jetzt drücken.“ Sie ist Lehrerin in einer Behindertenschule, und wenn ich nach Hause fahre, fährt sie zur Arbeit. Meistens reden wir über unsere Arbeit. Die Problematiken ähneln sich in den sozialen Berufen. Wir sitzen etwa zwanzig Minuten nebeneinander im Bus. Dann muss ich aussteigen. „Schlafen Sie gut“, sagte sie. „Ich wünsche Ihnen einen schönen Tag“, sagte ich.
Es tat gut, ein paar Worte gewechselt zu haben. Der Morgen dämmert. Ausschwitz ist vorbei. Eine andere Doku läuft …
bonanzaMARGOT
- 30. Jan. 13, 08:00
- Nach der Nachtwache ist vor der Nachtwache
Wenn du so schreibst, dann jammerst du nicht. Du bist einfach nur traurig und steckst mich an (du berührst mich damit)
Übrigens steckt in dem aktuellen Nachtwachenblues kein Selbstmitleid. Du löst auch kein Mitleid oder Mitgefühl bei mir aus.
Menschen, die mir ständig von ihrem Leid die Ohren volljammern, finde ich selbst schrecklich.
Womöglich wollen die nur von dir bemitleidet werden.
Menschen, die kein Selbstmitleid kennen, sind mir so suspekt wie Menschen, die behaupten, ihnen wäre nie langweilig.
Du bist zu stark für Selbstmitleid? Vielleicht bist du zu schwach dazu??
Mir is' nie langweilig und es gibt keinen Grund mich selber zu bemitleiden.
Für mich ist Selbstmitleid eine Schwäche, die ich nie zulassen würde.
Eine Härte, welche die weichen Komponenten verleugnet, wird irgendwann brüchig.
Ich bin eine Frau mit Stärken und Schwächen. Die Schwächen zeige ich nur nicht so gerne. Weiß der Fuchs warum. Vll reiner Selbstschutz. Aus Angst vor Verletzungen.
So, und nun gehe ich in den nächsten Nachtdienst. Dir einen schönen Abend.