montez - 12. Jan. 13, 11:29

Kaum etwas hat mich negativer beeindruckt und gerührt, als die absolute Einsamkeit und Sehnsucht dieser verlorenen alten Menschen, als ich meinen Vater in der Kurzzeitpflege besucht habe. Ausser mir kamen noch zwei oder drei andere Angehörige.

Gut, dass es wenigstens ein bisschen Zeit für Zuwendung zu geben scheint.

Und ja, vermutlich ist das manchmal trotzdem besser als daheim. Wobei. Das was ich da erlebt habe, ist kaum steigerungsfähig. Wenn ich den Alten nicht hätte wieder heimholen können, wäre er vermutlich verhungert. Völlig abgemagert ist er jedenfalls. Und hingefallen.

bonanzaMARGOT - 12. Jan. 13, 11:41

natürlich kann es einen schocken, wenn man noch nie in einem altenheim war. da sitzen dann unter umständen trübsinnig dreinblickende, demente menschen verloren herum. es ist auch klar, dass es in den meisten heimen viel zu wenig personal gibt, um den psychosozialen bedürfnissen der alten gerecht zu werden.
leider vermitteln manche altenheime immer noch eine düstere und trostlose atmosphäre.
angehörige haben oft hochgeschraubte erwartungen - nach dem motto, dass mutter oder vater rund um die uhr umhegt und gepflegt werden. dies ist nirgendwo machbar. ich bin zum beispiel in der nacht allein mit fünfzig zum teil schwer pflegebedürftigen und dementen bewohnern.
montez - 12. Jan. 13, 11:54

Ich glaube, ich habe nicht viel erwartet (und ich habe meine ganze Jugend Sozialdienst in verschiedenen Altersheimen gemacht). Aber so wenig sicher nicht.

Die (alle) Dementen, sassen tagsüber in glühender Hitze in einem verglasten Wintergarten, alle Türen und Fenster waren geschlossen, weil es keinen gab, der draussen im grossen schönen Garten hätte aufpassen können.

Genau: Privates Heim, maximaler Gewinn, minimales Personal.
Ein kurzer Blick auf den alten Montez, der sich immer bemüht hat, Sachen richtig zu machen, aha, kann selber essen. Dabei fiel alles unter den Tisch, das hat dann niemand bemerkt. Ich bin dann immer zu den Essenszeiten gekommen, denn na klar, wie sollen zwei Hanseln 30 Alten beim essen helfen.
bonanzaMARGOT - 12. Jan. 13, 12:03

es passieren mit bestimmtheit viele haarsträubende dinge in den heimen - von vernachlässigungen in der hygiene und nicht ausreichender nahrungsgabe, schlechter medizinischer versorgung, kaum menschliche zuwendung, bis hin zur körperverletzung ...
solche missstände sind unbedingt anzuzeigen. das personal ist leider oft abgestumpft und betriebsblind, oder es steht durch miese arbeitgeber und vorgesetzte unter druck.
wenn man als angehöriger solche schlimmen missstände mitbekommt, sollte man die fälle protokollieren und sich bei der heimaufsicht beschweren.
und dann sollte man sich natürlich am besten ein anderes heim für seine mutter oder seinen vater suchen.
montez - 12. Jan. 13, 12:06

Hm. Ich habe das so hingenommen. Nett was das Personal ja.
Glücklicherweise konnte ich ihn nach zwei Wochen wieder heimholen. Da hat es ihm am Besten gefallen.
bonanzaMARGOT - 12. Jan. 13, 12:15

klar, ich bin auch nett. meine kollegen und kolleginnen (also die meisten) sind nett.
es kommt immer auf die häufung und die art der missstände und pflegefehler an. nobody is perfect. bei geringen verfehlungen kann man sich evtl. noch arrangieren und in gesprächen auf die mängel nett hinweisen.
doch wenn die mängel einfach zu eklatant sind, weil z.b. zu wenig personal für eine ausreichende versorgung der alten da ist, muss man andere konsequenzen ziehen - bis hin zur anzeige. die alten sind den bedingungen ausgeliefert. der heimbeirat meist nur eine farce.

gut, wenn du deinen vater zuhause pflegen willst und kannst.
wer sich das zutraut, soll es machen. ich - obwohl altenpfleger - wollte meine eltern nicht zuhause pflegen.
montez - 12. Jan. 13, 13:32

Er hat es uns nicht so schwer gemacht, trotz Demenz. Und dann ist er, nach 5-jähriger Pflegebedürftigkeit nach zwei sehr aufgewühlten Tagen gestorben. Das war schon 2009. Natürlich war es für meine Mutter viel anstrengender als für mich, ich hatte eher den Aufheiterungspart.

Wohin ist eine freie Entscheidung, möglichtst von allen Beteiligten. Die von allen Umständen abhängt und die in beide Richtungen ihre Berechtigung hat.
bonanzaMARGOT - 12. Jan. 13, 13:45

ja, es ist auch eine generationenfrage, und sowieso ist es eine frage des klimas innerhalb der familie, - wie viel fürsorge von den familienmitgliedern erwartet werden kann.
wir leben heute nicht mehr in einer zeit, wo althergebrachte gesellschaftliche doktrinen eine übermächtige rolle spielen. man kann heute leichter aus gesellschaftlichen zwängen ausbrechen. dazu gehört auch die pflege der eltern.
ich habe keinen engen bezug zu meinen eltern. soll ich mich deswegen schuldig fühlen?
dummerweise leben ältere generationen noch in erwartungshaltungen, denen ihre kinder nicht immer entsprechen wollen und können.

schön, wenn es bei dir und deinen eltern nicht so war.
bonanzaMARGOT - 12. Jan. 13, 15:28

apropos

wenn man dann mal genau hinguckt, haben die alten sich ihren alten (unseren großeltern) gegenüber auch nicht immer adäquat verhalten.
montez - 13. Jan. 13, 15:22

Tatsächlich stehe ich da in einer ganz erfreulichen Tradition. In deren Genuss meine nicht vorhandenen Kinder nun nicht mehr kommen werden.
bonanzaMARGOT - 13. Jan. 13, 15:32

solange traditionen mit seele gelebt werden, habe ich gar nichts gegen sie. leider ist das nicht immer so. und selbstverständlich stellt sich bei solchen eklatanten entwicklungen in gesellschaft, kultur und technik wie in den letzten hundert bis zweihundert jahren die frage von selbst nach der sinnhaftigkeit so mancher tradition, so manchem brauchtum. man muss sich auch immer klar machen, dass traditionen einen menschen auch gängeln können - weil der gruppendruck immens ist.

ich habe keine kinder, und so stellt sich die frage sowieso nicht, ob ich von meiner familie im alter gepflegt werden will.
und hätte ich ausversehen kinder, würde ich es sicher nicht von ihnen erwarten.

erwartest du denn, montez, dass deine kinder dich auch ein mal pflegen, wenn eine ähnliche situation wie bei deinem vater entsteht?
montez - 13. Jan. 13, 15:41

Ich meinte die Tradition des Sichmeistganzgutvertragens und Anständigverhaltens. Traditionen im Allgemeinen finde ich misstrauenserweckend.

Von meinen Kinder würde ich versuchen, gar nichts zu erwarten, so wie meine Eltern das gemacht haben. Perfider Trick. Habe ja schon mal gesagt, dass ich finde, da gibt es sicher gerechtfertigte Gründe für alle Versionen.

Ich lebe mit Vergnügen (ja, sie hat viel Humor) mit meiner 82-jährigen Mutter zusammen. Das tue ich nicht aus Pflichtgefühl sondern aus Zuneigung Und ich käme im Leben nicht auf die Idee, sie in ein Altenheim zu bringen(?). Es sei denn, das wäre ihr Wunsch.
bonanzaMARGOT - 13. Jan. 13, 16:50

Das Sich Anständig Gegeneinander Verhalten kann traditionelle Regeln haben, aber als Tradition an sich sehe ich es nicht an.
montez - 13. Jan. 13, 16:53

Ach herjeh. Das war künstlerische Freiheit.

Ich meinte, das sich die letzten drei Generationen ab irgendwann gut vertragen haben. Friedlich und freundlich. Ja, gibt'a auch. War auch nicht immer so. Muss jetzt in den Stall.
bonanzaMARGOT - 13. Jan. 13, 16:58

Das ist wünschenswert, dass man mit Vater, Mutter und anderen Familienmitgliedern gut auskommt.
Ich bin offensichtlich nicht der Typ dazu.
montez - 13. Jan. 13, 17:01

Gehören immer mindesten zwei dazu. Ich kann sofort jede Menge Eltern aufzählen, die ich sofort wegsperren würde. Von Grosseltern und Tanten ganz zu schweigen.

So, jetz aber. A bientôt.
bonanzaMARGOT - 13. Jan. 13, 17:09

Stimmt. Man kann sich manche Menschen nicht aussuchen - z.B. Eltern.

Bis bald!

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