Einfach umsetzen


Ich mag den Morgen, bevor die Welt in den Tag pisst. Die Zeiger auf dem Wecker rückten auf Sechs Uhr. Mit offenen Augen lag ich da und starrte in die schemenhafte Dunkelheit des Zimmers. Warum kann ich mich nicht wegdenken? Eher könnte man die Welt wegdenken als sich selbst. Warum gibt es etwas, was unmöglich erscheint? Ich habe solche Momente, da kommen mir Welt und Existenz absolut unmöglich vor. Wenn aber alles existiert, kann es nicht unmöglich sein. Ich drehte mich nochmal auf die andere Seite. Vielleicht ist alles nur ein Traum. Fragt sich dann, in was man aufwacht, wenn die Wirklichkeit bereits ein Traum ist…
Einer Eingebung gleich hatte ich plötzlich das Bild eines Menschen vor Augen, der mit dem Kopf verkehrt herum auf dem Hals herumlief. So ist es – wir sitzen entgegen der Fahrtrichtung im Zug der Zeit. Wir sehen die Landschaften, die am Zugfenster gerade vorbeihuschen und sogleich in die Vergangenheit entschwinden. Am Besten kann man Dinge ins Auge fassen, die schon ein Weilchen zurückliegen (aber nicht zu weit). In die Zukunft können wir aus unserer Position nicht blicken, - nur aus dem Augenwinkel erkennen, was sogleich auf uns zukommt. Wenn wir richtig in die Zukunft schauen wollten, müssten wir uns in Fahrtrichtung umsetzen. Einfach umsetzen…
Ich schaute erneut auf den Wecker. Die Zeiger rückten gegen Halb Sieben. Samstag – ich hätte getrost liegenbleiben können. Doch mauserte ich mich, spätestens seitdem ich wieder arbeite, zum Frühaufsteher. Und, wie ich anfangs sagte, schätze ich den Morgen, besonders den frühen. Er ist noch nicht vollgepisst von dem ganzen Unsinn, welchen das Leben auf Lager hat. Von mir aus könnte der Zug jetzt abbremsen - oder noch besser für ein Päuschen anhalten. Ich würde aussteigen und in die Morgendämmerung schauen. Welch gute Luft! Welch weiche Schönheit in den Farben!

steppenhund - 03. Feb. 18, 10:51

schöner Text

bonanzaMARGOT - 03. Feb. 18, 11:42

danke fürs lesen und vorbeischaun.
NBerlin - 03. Feb. 18, 12:01

Wenn man diesen Text liest, könnte man fast denken, dass es erstrebenswert ist früh aufzustehen. Ich bleibe dann aber wohl doch ein Nachtmensch, ich finde die Nacht wunderbar, wenn alles still ist.

bonanzaMARGOT - 03. Feb. 18, 12:18

als junger mensch schlief ich auch gern morgens aus..., sowieso weil ich am vorabend schwofen war. einige jahrzehnte war ich alles andere als ein frühaufsteher.
dann wurde ich nachtwache. alle zeitgewohnheiten wurden auf den kopf gestellt..., fast zwei jahrzehnte lang*.
nun bin ich zurück im normalen alltagstrott und stehe gern früher auf, als ich eigentlich müßte...
mal sehen, wie lange das so gehen wird.
ich habe nichts gegen schöne lange abende. aber durch das frühe aufstehen, halte ich die selten durch.

* ich stand in der nacht gern auf der terrasse des altenheims (hauptsächlich im sommer) und blickte hinaus in die dunkelheit. unter mir lag das dorf. alles lag im schlaf. ich fühlte mich erhaben und lauschte den besonderen verbleibenden tönen/geräuschen... die gibt`s auch nachts, in einem altenheim sowieso.
die sterne funkelten und wachten über uns alle. die nacht besitzt eine tolle magie. ich mochte sie.
NBerlin - 03. Feb. 18, 13:04

Das hatte ich ganze vergessen, du warst Nachtwache, vielleicht deswegen jetzt der radikale Wandel. Ich musste in meinen Leben nur selten nachts arbeiten, weswegen ich die Nacht eher erholsam und magisch empfinde. Gar nicht so sehr für Party, ich genieße die Ruhe.
bonanzaMARGOT - 03. Feb. 18, 13:23

wie gesagt, ich habe nichts gegen die nacht...
aber man kann nicht alles haben. je nach den lebensumständen hat mal das eine oder das andere vorrang.

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