Eins A


Das erste Mal war`s reine Neugierde. Inzwischen stapeln sich bei uns die Papiertüten des Lebensmittellieferdienstes. Es ist aber auch verflucht bequem, sich Getränke und andere schwere und sperrige Sachen nach Hause bringen zu lassen - wir haben kein Auto. Ich besorgte vorher die Kisten Bier auf dem Gepäckträger des Fahrrads, was mitunter ziemlich wackelig anmutete, besonders im Winter auf vereisten Wegen. Okay, das kam nur selten vor. Ich gebe es unverhohlen zu: die Faulheit siegte. Und die Lieferkosten sind zu verkraften.

Gestern Nachmittag nach Feierabend wartete ich mal wieder auf eine Lieferung. Zwei Stunden sind das Zeitfenster. Ich hoffe immer, dass sie möglichst bald kommen, also zu Beginn der zwei Stunden. Aber das ist freilich Wunschdenken. Ich griff mir also mein Feierabendbier aus dem Kühlschrank und legte mich zur Entspannung auf die Couch. In der Glotze liefen Serien aus den Achtzigern. Ich mag diesen leicht antiquierten TV-Schrott, weil ich bei ihm so schön abschalten kann. Die Helden dieser Serien sind vorbildlich standhaft. Eins A. Egal, was kommen mag, sie kriegen immer die Kurve.
Zwischendurch blickte ich zum Fenster. Ich würde den Lieferwagen sehen, wenn er vorfährt. Aber er kam und kam nicht. Die Minuten verstrichen, während ich mein letztes Bier anbrach, und im TV Texas Ranger Walker ein paar böse Buben vertrimmte. Schließlich klingelte das Telefon.
„Ich komme etwa eine halbe bis dreiviertel Stunde später“, sagte die Stimme.
„Schon gut“, antwortete ich.
„Bis gleich.“
„Jep.“
Mein Nachmittag war gelaufen. Ich hatte mir ausgerechnet, nach der Lieferung noch eine Runde mit dem Fahrrad zu drehen. Daraus würde nun nichts mehr werden. Zu spät. Die Lust dazu war weg.

Als er kam, hatte ich mehr als drei Stunden gewartet. Na ja, was soll`s. Ich war nicht in der Stimmung, mich zu ärgern. Er war vielleicht die Hälfte von mir und mühte sich redlich damit ab, die Sackkarre mit den Waren durch die Haustüre in den Flur zu bugsieren. Wahnsinn, der arme Kerl! Bei seinem Anblick empfand ich Mitleid und Scham. Eine erbärmliche Situation. Der junge Mann wirkte wie ein gehetztes Tier. Er hatte den Tunnelblick eines Verzweifelten.
„Mal kurz durchatmen“, lächelte ich ihn an, während ich meine Barschaft nach einem ordentlichen Trinkgeld durchforstete. Mir wurde bewusst, in welcher privilegierten Position ich mich befand. Zwar hatte ich auch nicht gerade meinen Traumjob, aber verglichen mit dem, was dieser Typ durchmachte, war ich mehr als gut dran. Ich fühlte mich mies – wenigstens ein, zwei Minuten lang - so richtig wie ein Ausbeuter.
Nachdem ich die Waren in Kühlschrank und Regalen verstaut hatte, legte ich mich zurück auf die Couch. Mittlerweile lief meine frühabendliche Lieblingsserie M*A*S*H …

Lange-Weile - 22. Jul. 17, 12:56

der arme Kerl

...sie schicken leider oft nur eine Person.. und die müssen sich dann abbuckeln, wie nix gutes. Die Zeit steht ihnen auch permanent im Nacken und wenn sie dann noch in die Rush hour kommen, na dann Gute Nacht Marie. Nette Kunden wie du machen daraus nicht gleich einen Sackstand und schlagen beim Auftragnehmer Alarm.

Das du dir den TV Schrott mit Wonne reinziehst, das hätte ich nicht gedacht ;-) ...ich aber hänge zur Zeit in den zahlreichen Doku s fest, die sich mir Mord- und Todschlag beschäftigen. Darüber ziehe ich mir die dunkelsten Abgründe er Menschen rein aber auch zeitgleich, wie die Menschen dem Bösen begegnen. Zum Glück bekommen die Böse ihre gerechte Strafe...wenn man in dem Zusammenhang vom Guten, das dann immer siegt, überhaupt reden kann.
Ich wünsche euch beiden eine schönes Wochenende

LG La We

bonanzaMARGOT - 22. Jul. 17, 13:06

danke lawe für die guten wünsche! die gebe ich gern zurück... vor allem auch an sohnemann!

ja, dieser junge mann tat mir echt leid, und ich fühlte mich (kurz) echt schlecht - wie ich es schrieb, wie ein ausbeuter. an solchen situationen spüre ich, dass meine seele sozialistisch ist. ich könnte es niemals lange ertragen als sogenannte "herrschaft" von dienern oder gar sklaven umsorgt zu werden. ich habe einfach zu viel mitgefühl... und sowieso kann ich mich niemals als was besseres ansehen.

was die tv-serien* angeht: die stellen wirklich nach acht stunden tumordokumentation sowas wie eine willkommene ablenkung dar... sie sind so herrlich unkompliziert.
die dokus, von denen du sprichst, ziehe ich mir dann auch noch rein. vorm schlafengehen. aber nicht so viele über die dunklen verbrecherischen abgründe des menschen, sondern lieber welche über mysterien, universum und natur.

* hast du schon mal M*A*S*H angeguckt? das ist nicht umsonst meine lieblingsserie, - weil kein üblicher tv-schrott
Lange-Weile - 25. Jul. 17, 12:00

gute Idee

Hallo Bo.,
von M*A*S*H* habe ich schon mal was gehört, da gab´s nur gute Kritiken. Es ist ihnen gelungen, des Wahnsinn des Krieges auf die Humorebene anzuheben. Eine gute Idee.
Ich habe nur mal kurz reingesehen..vielleicht 10 Sekunden, dann war ich schon wieder raus. Das hat nix mit der Serie zu tun, ich wollte mich auf keine Serie einlassen, deshalb habe ich mich auch nicht um den Inhalt gekümmert.
LG La We

bonanzaMARGOT - 26. Jul. 17, 05:55

M*A*S*H ist super

woher kommt deine abneigung gegen jede art von serie?
Lange-Weile - 26. Jul. 17, 19:44

ab und zu schon

Hallo Bo.,

deutsche Serie sehe ich dann schon eher..aber nur, wenn sie wöchentlich ausgestrahlt werden - zB. die Lindenstraße. Serie in dichter Folge hatten mich nie interessiert - ebenso ging es mir bei amerikanische Serien. Ich fand sie immer etwas klamaukig.
Über Netflix kann man zahlreiche Serie am Stück sehen,.bis zum umfallen, wenn man so möchte ;-).
Ich sehe außer Lindenstraße auch ab und zu mal in die Serie "In aller Freundschaft" ein und das, weil Ursula Karruseit darin mitspielt. ich fand sie schon zu DDR Zeiten grandios und hier konnte ich sie noch mal sehen, auch wenn die die Rolle nur eine einfache war im Gegensatz zu den DDR Filmen.
LG La We

bonanzaMARGOT - 27. Jul. 17, 05:45

Ich wuchs mit den Vorabendserien der Siebziger/Achtziger auf. Das war vor allem amerikanisches Machwerk. Hinzu kamen die Krimiserien zur sogenannten Primetime wie Tatort, Der Kommissar, Derrick, Der Alte...
Die Lindenstraße guckte ich nur anfangs. Alles, was danach an deutschen Soaps und Schmuseserien produziert wurde angefangen von der Schwarzwaldklinik bis hin zu GZSZ, war nicht mein Ding.
Die alten Serien sehe ich immer noch gern, weil ich mit ihnen ein Stück Kindheit/Jugend und Unbeschwertheit verbinde. Sie vermitteln einen Blick in die Vergangenheit, wo die Welt (gefühlt) unkomplizierter war, der Informationszufluss auf die Tagesschau und die Tageszeitung begrenzt, es keine Computer und Smartphones gab. Wie viel veränderte sich in ein paar Jahrzehnten?!
Die Serien, die ich mir heute ab und zu (nach Feierabend) reinziehe, dienen ausschließlich der Entspannung, und ich mag dazu eine Brise Humor (Sarkasmus) und eine Brise Nostalgie.
Sonst komme ich derzeit kaum zum TV-Glotzen, weil ich abends zu müde bin.
Lange-Weile - 27. Jul. 17, 16:04

Straßenfeger

Hallo Bo., stimmt, einige Serie konnten wir damals trotz der Grenze auch sehen und sie waren echte Straßenfeger..."Ein Colt für alle Fälle" oder "Alf" oder "21 Jump Street" und wenn ich schon dabei bin "MacGyver" ..da sah man auf unseren Straßen kaum noch Menschen.. bei "Alf" waren auch die Kinder von den Spielplätzen verschwunden, sie saßen alle auf der Couch vor der Kiste. Wie du schon schreibst, es gab keine PCs und Smarhphons, auf denen man zeitversetzt sehen konnte.
Das was du mit der Reise in die Vergangenheit beschreibst, geht mir bei Filmen und Musik so. So manch ein Film verbindet mich mit der Zeit von damals und ich gönne mir dann eine Zeitreise ;-)
LG La We

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