rosenherz - 25. Jan. 17, 09:29

"Das Leben ist ..."
Zitate mit einer Ist-Formulierung verführen uns dazu, ihr Glauben zu schenken, es wäre eine (für alle und allzeit gültige) Wahrheit.

Dieses Zitat von Hippkrates zeigt ein Spiegelbild seines damaligen Standpunkts (und Empfindens) zu seiner Welt- und Innensicht. Seiner Weisheit. Mit diesem Standpunkt kann ich mich als lesende Person identifizieren - oder nicht. Ich kann (mein) fühlendes Leben auch völlig anders empfinden (und in Worte fassen).

Da du diese Mittwochsweisheit in dein Blog einstellst, bringt mich zur Annahme, dass ein Teil der Aussage deinen eigenen Ansichten nahe ist, oder du möglicherweise mit Hippokrates gänzlich übereinstimmst.

bonanzaMARGOT - 25. Jan. 17, 09:43

sowieso "ist" alles interpretationssache. oder "ist" dem nicht so?
früher war das innenleben der menschen sicher kaum anders als heute. sie hatten ähnliche sorgen und nöte und lachten über die gleichen witze.
wir menschen sind uns ähnlicher, als du glaubst, und darum macht die kommunikation trotz der gefahr von mißverständnissen sinn.
aber sicher lässt sich über geschmack, weltsicht und lebenseinstellung auch wunderbar streiten.
wer möchte schon in einer welt leben, in welcher wir alle über alles einer meinung sind?
bonanzaMARGOT - 25. Jan. 17, 09:48

ja, in meinen augen ist das leben eine tragik-komödie.
rosenherz - 25. Jan. 17, 11:25

Aus meiner Sicht scheint mir das Innenleben der Menschen von früher mit jenen der jetzigen Zeit nicht (in allen Bereichen) vergleichbar zu sein. Vor hundert oder zweihundert oder tausend Jahren war ein Großteil der Menschheit in der Landwirtschaft beschäftigt, ernährte sich von dem, was der Jahreslauf hergab und welche Lagermöglichkeiten bekannt waren. Allein die Erfindung des Einweckglases hat die Vorratshaltung revolutioniert. Nur als Beispiel. Heute müssen sich in Europa die wenigsten Menschen damit täglich die Frage stellen, wieviel Holzstücke sie nach Hause schleppen müssen, um in der Kälte Feuer machen zu können und den Winter überhaupt zu überleben oder was sie essen können. Oder wo sie im Sommer/Winter das Trinkwasser schöpfen können. Zudem gab es weder derartige Umweltverschmutzungen, noch die Gefahr der atomaren Vergiftung und Vernichtung.
Und da die Erfahrung der Außenwelt zugleich das Wahrnehmen der Innenwelt beeinflusst, meine ich, dass das Innenleben der Menschen heutzutage sich anders bildet und ausdrückt, als es beispielsweise beim antiken Mann im alten Griechenland oder bei den Sklavenhaltern in Ägypten oder den Indianerkulturen Südamerikas. Die Sorgen eines in den französischen Alpen lebenden Bauern sind andere, als die einer Büroangestellten in München oder eines Pianisten ins Hamburg. Womit wir wieder bei der Individualität des Menschen angelangt sind und seinem (individuellen) Standpunkt in der Welt.

"ja, in meinen augen ist das leben eine tragik-komödie."
Ich stelle mir da die Frage, ob und wie weit diese Sichtweise deinem Leben Freude macht. Dich glücklich(er) stimmt, zufrieden(er), freudvoll(er), zuversichtlich(er), aufbauend(er)? Möglicherweise bestätigt sie deine eigene (momentane) Ansicht und bewirkt so ein (vertrautes) Empfinden von Verstandenfühlen oder Zufriedensein mit sich und der Welt. Oder auch nicht.
bonanzaMARGOT - 25. Jan. 17, 11:39

kulturelle unterschiede gibt es auch synchron auf der erde - und müssen nicht zeitverschoben sein.
ich meinte ganz allgemein das innenleben des menschen (ebenso wie seine physis). ich sehe keine wesentlichen unterschiede im denken der menschen von damals zu heute. die existentiellen fragestellungen und probleme waren dieselben.
die anforderungen im leben änderten sich freilich, - die ändern sich ständig. noch nie wurden die menschen mit so vielen veränderungen in ihren lebensbedingungen konfrontiert wie in den letzten ca. 200 jahren.
mensch ist aber trotzdem mensch geblieben mit seinen typischen verhaltensweisen, fragestellungen und denkmustern.

wenn ich konstatiere, dass das leben eine tragik-komödie ist, dann geht es mir nicht darum, wie ich mich damit fühle..., - sondern ich empfinde das leben als solche.
ich will sagen: zuerst sind da wahrnehmung, anschauung und gefühl, und erst darauf folgt die ausformulierung in (evtl.) passende begrifflichkeiten.

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