Morgen ist Montag
Drei Abholtermine platzten, angeblich weil die Müllmänner den Schlüssel verschlampt oder verloren hatten, so die Auskunft von Vermieterseite. Inzwischen wurden einfach alle Abfallbehälter (welche eigentlich zur Mülltrennung vorgesehen sind) mit dem Hausmüll vollgestopft. Kann es so schwierig sein, dem Abfallunternehmen einen neuen Schlüssel fürs Hoftor zukommen zu lassen? Oder geht es vielleicht um was anderes? Wir zahlen jeden Monat einen Abschlag für die Betriebskosten, u.a. für die Müllabfuhr. Wenn ich das Gefühl habe, dass mich jemand an der Nase herumführt, kann ich stinksauer werden. Morgen ist Montag, erneut Müllabholtag. Eigentlich habe ich kein Interesse an einer Auseinandersetzung mit dem Vermieter. Es gibt wichtigeres. Auf der anderen Seite: Muss man sich alles bieten lassen?!?
Auf der Arbeitsstelle brennt die Hütte. Wiedermal merken die Fuzzis, die alles so schön planten, dass die Dinge sich in der Praxis unvorhersehbar schwieriger entwickeln als gedacht. Scheiße, immer dasselbe, denke ich. Hört das denn nie auf? Warum müssen die kleinen Leute ausbaden, was in den Führungsebenen schiefgeht? Warum kriegen wir das ab?
Unsere Vorgesetzten diskutieren inzwischen eifrig, wie sie den Laden am Laufen halten können. Das Ergebnis sind Überstunden und schlechte Laune in den Büros. Der Druck auf die Mitarbeiter steigt. Es ist abzusehen, wann die ersten blau machen…
Seit einer Woche dokumentieren eine Kollegin und ich nicht mehr in die Tiefe, was nichts anderes als Dokumentation am Fließband bedeutet. Die Tumorfälle werden nur mit dem Nötigsten ins System gekloppt, um die für die Abrechnung wichtigen Fallpauschalen zu generieren. Anordnung von Oben. Eigentlich Betrug, meinte die alte Dokumentarin, mit der ich das Büro teile. Hauptsache der Schein wird gewahrt und der Rubel rollt. So läuft vieles auf der Welt – und ich stecke mal wieder mittendrin – in einem System, welches keine Sau richtig durchschaut. Am besten sind die dran, die sich gut in die Tasche lügen können. Und es funktioniert. Berlin funktioniert. Das Gesundheitssystem funktioniert irgendwie… Noch.
Das Mittagsbier in der Kiezkneipe lasse ich mir nicht nehmen. Zwei Weihnachtsmänner sitzen zu einem Fototermin an der Theke. Die ganze Kneipe ist voll von den Foto-Leuten und ihrem Equipment.
Ich finde gerade noch einen Stehplatz. „Wenn es Ihnen nichts ausmacht“, sagt die Kneipenmutter. „Ist okay“, winke ich ab – wo sollte ich auch sonst auf die Schnelle hingehen?
Die zwei Weihnachtsmänner haben vor sich zwei Pilsgläser stehen. Sie sind an die Sechzig und gut beleibt, passen original in die Kluft, tragen aber keine Mützen und keinen künstlichen Weihnachtsmannbart. Den braucht der eine auch nicht. Eine junge Frau gibt mit Befehlen das Fotoshooting vor: „Jetzt anstoßen und lachen!“ „Jetzt umarmen!“ „Dasselbe noch mal!“ „Bitte dorthin schauen!“ „Yeah, und singen Sie ruhig ein Weihnachtslied!“ „Gut! Gleich nochmal!“ …
Ich stehe in der Ecke und betrachte das Ganze. Mal was anderes. Skurril. Wie die ganze Welt. Gut, dass es diesen Stoff gibt, denke ich und schließe die Augen beim Trinken.
bonanzaMARGOT
- 19. Nov. 17, 12:18
- Büro