Der Handwerker
Das Leben hält sich an keinen Fahrplan, zumindest was unsere Gefühle angeht. Ich sitze so rum und mache mir Gedanken. Zwischendurch schaue ich aus dem Fenster auf die Straße. Ich finde es bemerkenswert, wie das Leben jeden Tag abläuft: mit Menschen und ihren Hunden, die auf dem Gehsteig vorbeilaufen, Menschen auf Fahrrädern und Fußgänger, Mütter mit ihren Kindern, Autos, die fortwährend übers Kopfsteinpflaster rauschen, Menschen aus dem Wohnblock gegenüber, die wie ich aus dem Fenster schauen…
Ich beobachte einen Handwerker, der seinen Wagen vorm Haus parkt. Er packt seine Siebensachen zusammen. Ziemlich lange braucht er dazu. Immer wieder fällt ihm noch was ein, und er geht zurück zum Wagen. Zuletzt kehrt er um, weil er die Wasserwaage vergaß. Nach einer viertel Stunde verschwindet er schließlich aus meinem Blickfeld zu einem der Hauseingänge. Wenn er dort in derselben Manier und im selben Tempo seine Arbeit fortsetzt… Aber gut, ich bin nicht sein Kunde. Es war nur lustig, ihm bei dem seltsamen Procedere zuzugucken. Womöglich ist er ein echter Profi, - wollte einfach Zeit schinden. Was weiß ich. Ich denke an meinen Vater, der ein sehr guter Handwerker war. Er ging die Dinge auch immer langsam an. Was gut werden soll, braucht Weile.
Ich denke an meine Büro-Kolleginnen, die eine Menge Zeit mit Begrüßungen, Schwätzchen halten und Kaffee kochen verbraten, bis sie ihre Computer hochfahren…
Manchmal überkommt mich das Gefühl, dass meine Kolleginnen in einer anderen Welt leben als ich. Nicht nur meine Kolleginnen, überhaupt alle Menschen. Sogar meine Partnerin. Gut – möglicherweise denken die anderen dasselbe von mir. Dabei bemühe ich mich ehrlich, mich anzupassen. Wenn ich morgens auf der Arbeit erscheine, gehe ich zuerst alle Büros ab und begrüße meine Kollegen und Kolleginnen. Ich rede mit ihnen übers Wetter und anderen Unsinn, soweit mir etwas einfällt. Nach acht Monaten gewöhnte ich mich an meine Arbeitsstätte, aber die Menschen dort erscheinen mir immer noch fremdartig.
Eine Woche Urlaub seit heute. Das ist fast nichts. Ich sitze an meinem Schreibtisch und schreibe an diesem Beitrag. Ich bemühe mich um einen Kontakt zu mir selbst, zu meinen aufrichtigen Gefühlen. Wenn ich mich nach rechts drehe, ist da der Blick aus dem Fenster zur Straße. Unverändert, - mit anderen Statisten. Alles geht seinen Gang. Unaufhörlich. Mein Herz schlägt, das Blut zirkuliert durch meinen Körper. Der Stoffwechsel passiert. Die Nerven sind angespannt. Im Kopf flunkern mir Milliarden von Neuronen ein Selbst vor. Ich denke, ich werde den Tag langsam angehen lassen…
bonanzaMARGOT
- 26. Okt. 17, 10:54
- Büro