Montag, 27. Juni 2016

Götz George, 1938 - 2016


Die Front rückt näher. Ich höre es an den Todesnachrichten, die mir wie das näherkommende Grollen eines Unwetters oder der Geschützdonner einer auf mich zubewegenden Front erscheinen. Namen von Rockstars, Schauspielern und anderen Prominenten hallen mir in regelmäßigen Abständen entgegen, die mich lange Jahre über die Medien begleiteten. Und das Erschreckende ist: es sind nicht die ollen Kamellen sondern Stars, deren Musik ich gern hörte oder deren Filme alles andere als verstaubt sind. Sicher geht es jeder Generation so, wenn sie in die Jahre kommt: Die Reihen vor mir lichten sich zusehends. Der Feind ist übermächtig und kriegt jeden. Weglaufen ist unmöglich. Wohin auch?
Einmal kräftig durchatmen und weitermachen. Der Tod ist kein Feind im üblichen Sinne. Er gehöre zum Leben, sagt man, wie die Butter aufs Brot. Wie würde das Leben ohne den Tod wohl schmecken? Ziemlich fad, oder? Wenn es ihn nicht schon gäbe, müsste man ihn erfinden…
Allein Zeitpunkt und der Prozess dahin bereiten mir Kopfzerbrechen.

Götz George hat`s hinter sich, las ich heute Morgen in der S-Bahn. „Ich weiß, es ist nicht mehr lange. Aber ich kann mit dem Tod gut umgehen. Ich habe keine Angst davor. Ich war schon ein paar Mal tot“, meinte er 2012 im Interview. Ganz so abgeklärt wie er bin ich (noch) nicht. Ich habe Angst, vor dem Davor wie vor dem Tod selbst, dem Danach. Sogar ein Zahnarzttermin wäre mir lieber (und das will was heißen).
Nicht bei jeder Todesnachricht zucke ich innerlich zusammen. Aber mit dem Schauspieler Götz George verband mich etwas, das ich nicht leicht in Worte zu fassen vermag. Sicher war da Schimanski, die Figur, die er jahrzehntelang verkörperte, und die den Tatort in den Achtzigern revolutionierte. Ich ritt damals mit auf der Sympathiewelle für den rüpelhaften, schnoddrigen Tatort-Kommissar mit sensiblen Seiten. Er spielte einen Helden (bzw. Anti-Helden) nach meinem Geschmack, der auf Konventionen schiss, sich gegen seine Vorgesetzten auflehnte, um die Häuser zog und den bösen Buben zeigte, wo der Hammer hängt.
Den Schimanski überlebte George. Ich sah ihn auch gern in Charakterrollen wie „Der Totmacher“ (als der Serienmörder Fritz Haarmann) oder in „Mein Vater“ (wo er einen an Alzheimer Erkrankten spielt).
Ich mochte diesen Typen – vielleicht gerade, weil man nicht alles an ihm mögen musste, er seine Rollen mit Inbrunst spielte und ziemlich taff rüberkam.

Wer ist der nächste? Wie viele stehen noch vor mir? Es ist Ende Juni 2016, der Sommer heizt uns ein, - überschüttet uns mit Licht und prallen Farben: es erscheint völlig unmöglich, dass der Vorhang irgendwann fällt.

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