Audit-Vorbereitungen
Die Kollegin meiner Praktikumsleiterin führ für eine Woche nach Prag. Zwischenzeitlich ballten sich Gewitterwolken über ihrem Arbeitsplatz zusammen. „Wie kann man zwei Wochen vor dem Audit in Urlaub fahren“, kotzte sich meine PL in der Zigarettenpause bei mir aus, „letztes Jahr machte sie es genauso.“ Die Tabellen, die sie ihr hinterließ waren fehlerhaft. Mit einem Statistikprogramm sollen Schätzungen der Überlebensraten nach Kaplan-Meier erstellt werden. „Sie sagte, dass sie mit dem SPSS (Statistikprogramm) arbeiten kann, aber in Wirklichkeit hat sie keine Ahnung!“ „Und nun hast du alles an der Backe.“ „Genau!“ Meine PL drehte am Rad, sie war stinksauer. Ich blickte anteilsvoll drein und wusste nicht, was ich sagen sollte. Die Beiden schienen in meinen Augen ein gutes Team zu sein, zumindest was die Zigarettenpausen anging. Sie arbeiteten immerhin schon vier Jahre zusammen.
Am Donnerstagvormittag kam ein pensionierter Statistiker und machte für uns eine kurze Einführung ins Statistikprogramm. Für meine PL ist Statistik Neuland. „Ich muss nicht alles verstehen, aber ich will wissen, wie ich diese Kaplan-Meier Auswertung hinkriege“, sagte sie, denn die werden fürs Audit verlangt. Die Statistiker der Klinik wurden wegrationalisiert. Nun diskutiert man eifrig über Fortbildungen. Überall dasselbe Spiel: Personal wird an allen Ecken und Enden eingespart. „Der Klinikchef ist BWLer“, erklärte mir meine PL. Die hektischen Audit-Vorbereitungen erinnerten mich an die Flickschusterei, wie sie auch im Pflegeheim betrieben wurde. Die Klinikstrukturen sind nur noch viel komplizierter.
Am Freitag erstellten wir die erste Kaplan-Meier Auswertung mit Diagrammen zur Sterblichkeit bei Magenkarzinom. Meine PL freute sich wie ein Schneekönig und bauchpinselte mich in ihrer Euphorie: „Ohne dich hätte ich das nicht hingekriegt, und überhaupt muss ich deine Arbeit loben…“ Mir war es peinlich, denn ich hatte nicht das Gefühl, viel geleistet zu haben. Dass ein Vorgesetzter meine Arbeit lobte, ist verdammt lange her. In meiner Zeit als Nachtwache bezog ich die Anerkennung für meine Leistung hauptsächlich von den Altenheimbewohnern. Also war ich auch angenehm berührt, als meine PL kurz vor Feierabend ihre Lobesrede hielt.
Morgen ist die Kollegin vom Urlaub zurück. Ich hoffe, dass ich nicht Zeuge eines Bürogemetzels werde, - dass ich in ihren Zwist nicht hineingezogen werde. „Sie ist eben nur einfache Mitarbeiterin“, sagte meine PL in der Zigarettenpause, in die ich sie loyaler Weise (als Nichtraucher) begleitete, „wenn du weißt, wie ich das meine. Und ich gehöre quasi schon zur Führungsebene…“
bonanzaMARGOT
- 05. Jun. 16, 12:43
- Arbeitslos