"Im Fremdsein sind wir uns nahe."
bonanzaMARGOT
- 20. Jan. 16, 19:29
Endlich habe ich auch die Bewerbungsfotos. Das Foto-Shooting erwies sich als regelrechte Folter, obwohl die nette Dame ihre Sache gut machte. Als sie mir die Bilder zeigte, war ich ganz schön geschockt, wie scheiße ich aussehe: Bin ich dieser grinsende, alte Sack mit den Hamsterbacken?
In der Schule fragten meine Mitschülerinnen schon, ob ich auf einer Fahndungsliste stünde, weil ich mich vor den Fototerminen immer drücke. Heute war es wiedermal soweit, ein Huhn hatte Geburtstag, und da musste freilich ein Gruppenfoto her. Erneut wurde ich gefragt und musste ablehnen. Dafür durfte ich auf den Auslöser drücken. Die Hühner empfinden keinerlei Scheu, sich in ihrer ganzen Pracht ablichten zu lassen. Danach teilen sie die gemachten Bilder über WhatsApp und machen sich Komplimente. Ich frage mich, wer von uns die größere Macke hat.
Na ja, jeder ist, wie er ist. Oder niemand kann aus seiner Haut.
Vielleicht bin ich deswegen ziemlich einzelgängerisch. Mir ist das alles oft zu viel. Die Menschen um mich herum betrachte ich am liebsten aus sicherer Distanz. Nichtsdestotrotz mag ich sie – es ist nur diese furchtbare Penetranz, die mich abschreckt. Ich komme mir dann vor wie auf der Flucht. Ständig soll ich irgendwem gerecht werden. Schon in meiner Jugend fühlte ich mich unter meinen Mitmenschen als Fremder. Auf meine vielen Fragen fand niemand befriedigende Antworten.
Ich wurde zwar älter, aber im Großen und Ganzen blieb mein Verhältnis zur Welt gleich. Scheiß Diskrepanz zwischen dem, was man in sich fühlt, und dem, was man (dann und wann) zu Gesicht bekommt. Absolut nicht stimmig! Richtig fies und ungerecht! Außerdem anstrengend… Ständig muss man nachbessern. Dabei nutzt es nicht viel. Die Tatsachen schreien einen geradezu an, und der Zerfall ist gnadenlos.
Machen wir das Beste draus – aber nicht unbedingt Fotos* von uns.
(* Was wollen wir damit dokumentieren?)