Der Deutsche Winter
Mir fehlt das Tageslicht. Aber ich lasse die Rollläden bewusst unten. Um mich herum hämmern, bohren, kratzen, scharren die Handwerker. Sie laufen an meinen Fenstern vorbei. Sie laufen übers Gerüst. Ein Verkehr ist das! Das Haus bekommt eine Dämmung. Dutzende von Dämmplatten müssen zurechtgeschnitten und montiert werden. Ich fühle mich wie eine Ratte in der Falle. Überall diese Männer mit den schweren Schuhen und den schmutzigen weißen Hosen. Dumpf höre ich ihre Stimmen. Mein Gott, was für eine Schweinearbeit!
Gestern klopfte die Mutter des Vermieters bei mir an und stellte sich vor. Sie betreut die Baustelle unter der Woche, während der Hauptschullehrer unterrichtet. „Ich warnte den Jungen“, sagte sie, „aber er wollte das Haus unbedingt kaufen ...“ Hinter ihr stand ein in die Jahre gekommener Heizungsmonteur in blauem Kittel. „Wir wollten nur Bescheid sagen, dass wir nachher das Wasser abstellen müssen.“
Seit Beginn der Woche ist einiges los im Haus. Regelmäßig flüchte ich darum im Laufe des Vormittags in die Stadt. Der Dezember hatte bisher nicht viel Sonne. Die schönen Stunden kann man an einer Hand abzählen.
Ich sitze bei heruntergelassenen Rollläden an meinem Schreibtisch und schaue zur Ablenkung auf eine Berichterstattung im TV. Sebastian Edathy soll sich öffentlich äußern. Wer sich erinnert – es geht um die Kinderpornografie-Vorwürfe, die zu Beginn des Jahres nicht nur politisch Wellen schlugen. Er spricht darüber im Rahmen einer Pressekonferenz … und im Untersuchungsausschuss. Die Vorgänge um diese Affäre erscheinen mir ziemlich dubios. Was erwartet man in diesem Fall noch an Aufklärung?
„... nicht moralisch aber legal ...“, sagt Herr Edathy auf die Frage eines Journalisten.
Das Doofe ist, dass offensichtlich niemand der Fragenden das Corpus Delicti genauer kennt. Mir kommt es so vor, als würde wiedermal etwas aufgebauscht, weil es sich um eine ehemalige politische Persönlichkeit handelt. Und beim Stichwort „Kinderpornografie“ schrillen sowieso alle Alarmglocken. Ich kann als Beobachter dieser Affäre nicht beurteilen, ob die Vorwürfe gegenüber Herrn Edathy Hand und Fuß haben. Er wirkt auf mich sehr arrogant (vielleicht Selbstschutz?) … nicht gerade ein Sympathieträger. Letztlich wird ein Gericht urteilen, ob er sich in irgendeiner Weise schuldig machte. Die von ihm gekauften Filme sind gar nicht Teil der Anklage, sagt er im Zuge einer weiteren Antwort. Da soll noch einer durchblicken … Er will im Untersuchungsausschuss reinen Tisch machen. So so. Politischer Sumpf. Vielleicht eine Aufrechnung gegenüber seinen ehemaligen Kollegen. „Ich habe nichts mehr zu verlieren“, sagt Herr Edathy ...
Nach wie vor jede Menge Geklopfe bei mir im Haus. Bald sollten die Handwerker Mittagspause machen. Ich hoffe es.
Kaum zu glauben, dass ich in drei Tagen in Gran Canaria sein werde. In der Sonne und am Meer!
Ich beschenkte mich selbst mit dieser Reise. Die Feiertage werden sich dort hoffentlich besser ertragen lassen. Ich muss dringend heraus aus diesem Mief. Wenigstens für ein paar Tage.
Deutschland im Winter ist einfach grauenhaft!
bonanzaMARGOT
- 18. Dez. 14, 12:11
- Arbeitslos