Donnerstag, 4. Dezember 2014

Es bringt nichts


Die Baustelle hält an. In der Wohnung und vor der Tür. Seit drei Wochen. Die Handwerker lassen sich Zeit, und mein Vermieter zuckt mit den Schultern: „Sie haben doch gewusst, als das Haus verkauft wurde, was auf Sie zukommt.“ Nein, das wusste ich eben nicht. Er sagte in den Vorgesprächen, dass die neuen Fenster und die neue Eingangstür eine Sache von ein oder zwei Tagen wären.
Mittags stehle ich mich aus dem Haus, bevor der Verputzer kommt. Gestern war er gar nicht da. Also heute dasselbe Spiel – in der Hoffnung, dass etwas gemacht wurde, wenn ich am Abend zurückkomme. Nachmittags treibe ich mich fast täglich in der Stadt herum. Ich laufe die „Idiotenrennbahn“, wie die Eingeborenen die Fußgängerzone nennen, einmal rauf und runter und steuere ein paar Stationen an, d.h. Kneipen. Einige Stunden kann ich damit verbringen. Der städtische Trubel hängt mir schon zum Halse raus. Es weihnachtet sehr! Zum Kotzen …, aber was bringt`s, wenn ich mich darüber aufrege? Es bringt ebenso wenig, mich darüber zu echauffieren, dass der Verputzer nicht da war. Mein Blutdruck ist zu hoch. Mein Hausarzt schrieb mich die dritte Woche krank. So komme ich um die Termine von der Agentur für Arbeit herum, die mir regelmäßig ins Haus schneien. Altenpfleger werden gesucht – selbst wenn sie halb tot sind.
Menschen hasten auf der Idiotenrennbahn aneinander vorbei, mit Einkaufstüten behangen. Ich laufe im Zick Zack, um nicht zu kollidieren. Ich werde auch zum Idioten: Tunnelblick, die Hände in den Taschen vergraben, die Gesichtszüge verkniffen, der Blick auf die Uhr. Wer treibt mich nur so?
Der Himmel ist grau. Die feuchte Kälte findet ihren Weg durch die Kleidung. Ein klammes Gefühl. Nur in Bewegung bleiben. Ablenkung. Die Gedanken abgehackt. Mein Herz sei hyperkinetisch, meinte der Kardiologe. Nichts dramatisches. Nehmen Sie mal einen Betablocker. In geringer Dosierung … Blicke treffen mich wie Nadeln. Ich schieße Nadeln zurück. Ein gezwungenes Lächeln, dann und wann. Ich denke an meine Nachtdienste. Den Druck bin ich los. Nein, ich bin ihn nicht los. Noch nicht. Ich rudere herum, will mich frei strampeln. Scheiß auf die Agentur für Arbeit!
Ich weiß: Das Altenheim ist nur Teil eines viel größeren Sumpfes. Ein Happyend verbietet sich. Überall lauern die Kräfte, die mich herunterziehen. Ich biege von der Idiotenrennbahn ab in eine Gasse. „Petit Paris“ heisst das Bistro. Ich steuere einen freien Platz an, suche den Blick der Bedienung ...

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