"Der Club der toten Dichter", 20 Uhr 15, ZDFneo
bonanzaMARGOT
- 14. Feb. 14, 15:37
Für mich bedeutet Kunst Experimentieren. Experimentieren mit Gedanken, Eindrücken, Farben, Formen, Worten, Sinn und Unsinn. Kunst ist spielerische Kommunikation wie Musik und Tanz. Kunst ist mehr als Fertigkeit. Kunst kommt aus dem Bauch. Ich öffne meine inneren Türen. Ich lasse mich auf den Wellen einer Stimmung treiben. Ich nehme Pinsel oder Stift. Ich schreibe oder male. Ich weiß noch nichts vom Resultat. Eine Ahnung vielleicht. Ich bin mein eigener Seelen-Chirurg, schnipsele an meinem Herz herum, tauche meine Hände in meinen Geist, in Blut und Scheiße. Ich verändere mich. Ständig verändere ich mich, ohne dass es zu sehen ist. Erst mit der Zeit. Das Skalpell sind scharfe Worte. Meine Worte. Die Schnitte tun weh. Ich trinke.
Ich bin der Arsch meiner Freundin, wenn ich ihn küsse. Ich bin das Bild, das ich male. Henry Miller sagte: „Malen ist lieben“ Ich denke, für das Schreiben gilt das auch. Jedenfalls für mich. Ich schreibe nicht einfach, ich will etwas sagen. Nicht immer weiß ich, was ich sagen will. Ich spüre, was ich will, und was ich nicht will. Ich brauche dazu nur Zeit und offene Türen. Ich brauche eine Seele. Meine Seele. Ich ficke mich selbst, wenn ich schreibe. Ich ficke mich gerade jetzt.
Natürlich ist nicht jeder Fick eine Offenbarung. Aber besser als die verklemmte Rumfurzerei, wie sie oft zu lesen ist. Von wegen, was ist Kunst?
Die Bürokraten regen mich auf. Sie bevölkern nicht nur die Finanzämter. Sie würden am liebsten ein Ministerium für Liebe und Kunst errichten, von wo aus sie bestimmen könnten, was Kunst ist und was nicht, was Liebe ist und was nicht.
Ich halte diese ganzen Diskussionen über Kunst für Kacke! Ja, das wollte ich sagen. Da kommen ein paar Wichser daher und wollen bestimmen, was Literatur ist und was nicht. Vielleicht haben sie den Mist studiert und bilden sich etwas darauf ein. Ich weiß nicht ...
Ich weiß nicht. Ich kann mir nur denken, dass sie Leistungsgesellschafts-Kinder sind, durch und durch, und niemals kapieren werden, dass Kunst unbedingt was mit Anarchie zu tun hat und nicht mit dem Abrufen von Leistungen. Kunst ist auch nicht Sport. Es geht in der Kunst nicht um Sieg oder Niederlage. Wenn es überhaupt um etwas in der Kunst geht, dann ist es „Freiheit“. Das Streben nach Freiheit, das Loslösen von Autoritäten und das Fördern eigenen Denkens (und Fühlens).
Die Kunst braucht eigene scharfe Messer und nicht von der Gesellschaft abgewetzte stumpfe. Die Kunst ist ständige Revolution. Die Kunst ist freies Menschsein – im besten Sinne. Mit der Kunst kam erst der Mensch als Mensch auf die Welt.
Aber die Menschen versklaven die Kunst. Die Kirche machte es im Mittelalter, und heute macht es der Markt mit seinen intellektuellen, studierten Propheten. Sie sind wie die Ärzte, die den Patienten mit ihrem Fachlatein einschüchtern. Umso unverständlicher desto besser. Das ist ihr Trick.
Ob ich weiß, was Kunst ist? Nein, das muss ich gar nicht wissen. Ich mache sie einfach. Sie ist eingestrickt in mein Wesen wie die Liebe.