"Das Haus der Lerchen", 22 Uhr 25, 3sat
bonanzaMARGOT
- 13. Feb. 14, 17:19
Die Zeit wächst unaufhörlich. Mit ihr der Raum. Das Universum expandiert – immer schneller durch die geheimnisvolle „dunkle Energie“.
Wo kommt die ganze Zeit her, die ständig hinzukommt und die Archive füllt? Was macht die Zeit mit uns?
Solche Fragen können einen verzweifeln lassen. Aber sie ereilen mich ganz von selbst. Ich werde sie nicht los, als wären diese Seinsfragen Bluthunde, die mich auf Schritt und Tritt verfolgen und anbellen. In was für einer Welt lebe ich? Wie ist der Bogen vom schnöden Alltag hin zu den wahnsinnigen Größenordnungen des Universums und seinen Geheimnissen zu spannen?
Ohne mein besonderes Zutun wächst meine Vergangenheit mit der Zeit, die scheinbar durch alle Poren dringt. Mit jedem Moment werde ich älter. Alles wird älter. Wenn ich alte Notizen durchstöbere, spüre ich beinahe körperlich diesen Irrsinn der sich aneinanderreihenden Tage, Monate und Jahre. Es ist, als gäbe es eine „dunkle Macht“, die das Leben wachsen lässt und gleichzeitig verschlingt. Ich erschauere unter dem Druck des riesigen Weltgefüges, in dem ich mich, weniger noch als ein Sandkorn, in meinem eigenen Saft drehe und wende. Gibt es Menschen, die ähnlich fühlen? Wo sind sie? Das frage ich mich manchmal, wenn ich ausgehe oder fernsehe oder im Internet surfe. Die meisten Menschen machen, als wäre alles furchtbar selbstverständlich, als wäre es Unsinn zu fragen, warum es so ist und nicht anders. Ihnen scheinen keine bellenden Bluthunde auf den Fersen zu sein. Sie gehen in ihrer Alltagswelt ganz und gar auf. Ihr Leben wird beinahe ausschließlich von Profanem bestimmt. Das Geistige übernehmen sie beinahe kritiklos von Philosophen und Theologen und auch von Scharlatanen und ideologischen Demagogen. Oder es reicht ihnen der Materialismus mit seinen Verführungen und kapitalistischen Werten. Ethische Fragen sind anstrengend. Philosophische Gedanken helfen selten im Überlebenskampf und bringen einen im Beruf kaum weiter – im Gegenteil behindern sie einen, wenn sie die Strukturen hinterfragen. Selbst als Philosoph muss man Karriere machen, wenn man seinen Lebensunterhalt damit bestreiten will. Dasselbe gilt für Künstler und Dichter.
Eigentlich wollte ich den Bogen gar nicht hin zu einer Gesellschaftskritik spannen. Ich ließ meine Gedanken einfach laufen. Ich fühle mich oft einsam und fremd in dieser Welt. Zum einen ist da das Universum mit seinen wahnwitzigen Erscheinungen und Kräften in Mikro- und Makrokosmos; zum anderen lebe ich in der Welt der Menschen auf der Erde …, deren Umtrieben ich sehr skeptisch gegenüberstehe, die ich zu einem guten Teil für idiotisch halte – jedenfalls in meinem kapitalistisch geprägten Umfeld.
Ihr meint vielleicht, dass ich den Bogen überspanne, dass ich mir das Leben unnötig schwer mache. Mag sein. Doch was heißt Leben? Was heißt Bewusstsein? Habt ihr Angst vor diesen Fragen? Fühlt ihr auch die „dunkle Macht“ dahinter? Ihr lebt es bloß anders aus als ich ...