Back.
Back in the USSR. Nein, das Lied schoss mir nur durch den Kopf. Ich bin zurück. Zurück. Also hier. Aber was heißt das heute noch? Ich meine, wo alles verdrahtet ist, wo die Menschen ständig von A nach B fahren – die Kinder meiner Freundin fliegen in Kürze mit ihren Großeltern nach Ägypten. Das ist normal. Ich meine, das ist heute so: Kreuzfahrten, tausende Kilometer auf einen anderen Kontinent fliegen … Ich will es gar nicht kritisieren. Ich weiß nicht. Ich bin ratlos. In was für einer Welt leben wir? Die Augen quellen mir schon über, wenn ich sehe, was für dicke Autos über die Straßen brausen, als wäre es selbstverständlich: so eben ins Auto setzen und da- und dorthin fahren - zu riesigen Einkaufszentren oder Vergnügungsparks … Ich fühle mich seltsam fremd, als würde ich mich selbst nicht mehr kennen. Ich fühle mich innerlich zerrissen wie in der Pubertät. Es geschieht etwas, was ich nicht begreife, weil es irre ist, und alle um mich herum machen so, als wäre es stinknormal. („Stinknormal“). Aber niemandem scheint es zu stinken.
Ich bin zurück. Drei Wochen Urlaub liegen hinter mir, und morgen geht es zurück ins Altenheim zum Nachtdienst. Ich war in Kärnten. Das ist auch ganz schön weit: acht Stunden Zugfahrt. Ich verreise eigentlich ganz gern. Aber umso mehr ich mich auf die Geschwindigkeit von Auto, Bus und Bahn einlasse, desto fremder fühle ich mich auf der Welt. Vom Fliegen ganz zu schweigen. Ich bin Fünfzig und flog noch nie. Nein, ich habe keine Angst vorm Fliegen. Glaube ich. Nein.
Back.
Back in the USSR. Vielleicht bin ich zu langsam für diese Welt. Oder auf eine andere Weise zu schnell? Nein, mein Urlaub war schön. Sehr schön. Ich erlebte sehr viel. Ich war in Venedig und an anderen schönen Orten. Immer wieder muss ich darüber nachdenken, wie unterschiedlich wir Menschen Dinge wahrnehmen …, obwohl wir genau dasselbe sehen. Das ist überall so. Überall. Morgen wieder im Altenheim. An manchen Orten scheint diese Wahrnehmungsdiskrepanz besonders groß zu sein. Ich weiß nicht. Ich bin ratlos. Vielleicht auch nervös, weil ich noch nicht richtig angekommen bin. Dabei waren es doch nur drei Wochen. Ich meine, was sind schon drei Wochen? Aber mir kommt es vor, als ob ich vor einem Jahr oder so in den Zug nach Klagenfurt stieg. Drei Wochen, die wie im Flug vergingen.
Wie fremd und vertraut mir die Welt gleichsam ist. Dasselbe gilt für die Liebe – ein Vexierbild, das ich mal als Gesicht oder als Vase erkenne, - mal als Glück (Erfüllung) aber ab und zu als Gefängnis. Alles ändert sich beständig. Gestern küsste ich dich noch auf den Mund. Gestern maltest du mir mit dem Finger ein Herz auf die staubige Scheibe des Zuges, als ich für die Rückfahrt meinen Sitzplatz einnahm. Heute bin ich hier, und du bist dort – achthundert Kilometer entfernt. Die Orte durchmischen sich – sie sind Bilder eines Kartenspiels in meinem Kopf. Die Gewohnheit wird die Karten wieder ordnen. Irgendwie. Was will ich überhaupt? Nur eine Zugscheibe ist zwischen uns. Ich liebe dich.