Freitag, 25. Mai 2012

TV-Tipp:

"Drum - Wahrheit um jeden Preis", 22 Uhr 40, Einsfestival

Vom Glück im Mittelmaß


Einige werden immer besser sein. Ganz egal, was ich mache. Als ich in der Grundschule Klassenbester war, wunderte ich mich. Ich war es auch nur kurz. Im Gymnasium lernte ich schnell, dass ich (nur) normal begabt war, und es für mich in der Hauptsache ums Überleben, also um das Erreichen des Klassenziels ging. Als jemand, der keine außerordentliche Begabungen hat und zudem nicht sonderlich ehrgeizig beziehungsweise fleißig ist, orientiert man sich am Besten am Mittelfeld – nach der gaußschen Normalverteilung. Wenn es etwas gab, in dem ich in der Schule und später im Beruf gut war, dann darin, mich mit wenig Aufwand und Ehrgeiz durchzuwurschteln. Manchmal hatte ich sogar das Glück, und die Arbeit machte mir Spaß, so dass ich mit meinen Leistungen glänzen konnte, bis meine Motivation durch einen miesen Lehrer oder Arbeitgeber wieder in den Keller rutschte. Ich richtete mich mit den Jahren im Mittelmaß ein. Das fiel mir leicht, und ich gehörte immerhin nie zu den Schlechtesten. Nach unten war noch etwas Raum.
Was ich sagen wollte, was mir heute Morgen im Halbschlaf durch den Kopf ging, war, dass es im Leben schon absolut hervorragend ist, wenn man im großen Pulk des Mittelfelds ins Ziel kommt. Sich an anderen zu messen, kann fatal sein – jeder Mensch hat nun mal ganz andere Voraussetzungen und besitzt an sich einen Wert unabhängig von einem Maßstab, der durch Eltern, Schule und Leistungsgesellschaft angelegt wird. Wer sich ständig mit anderen misst, was Karriere, Geld, Besitz, Kraft und Aussehen angeht, wird nie für sich herausfinden, worin sein Glück oder seine Lebenszufriedenheit eigentlich besteht. Folgen sind Krankheit, Sucht, Gewalt, Depression …
Was lassen wir uns nicht alles einreden, was angeblich zum Glücklichsein gehört(?) Und wie beeinflussbar sind wir doch, ohne dies (kritisch) zu reflektieren.
Wenn das Leben schon eine Art Rennen ist – ein Marathonlauf der verlorenen Seelen oder ein Iron Man der Minderwertigkeitskomplexbeladenen - , wozu dieser kindische Ehrgeiz, zu den Ersten oder Gewinnern zu gehören? Am Besten rennt man gerade so schnell, dass man sich mit den Mitläufern noch unterhalten kann, und dass man noch was von der Umgebung mitkriegt. Wer vorneweg läuft, ist einsam, wer hinterherläuft, ebenso. Das Mittelmaß ist zu unrecht schlecht angesehen. Erst im Mittelmaß finden wir den nötigen Spielraum und die soziale Geborgenheit, die nötige Gelassenheit für Innovationen, Kreativität, Toleranz und Menschlichkeit. Ich stehe zu meiner Mittelmäßigkeit! Sie ist so wunderbar unanstrengend.
Vielleicht verstecke ich mich sogar in der Mittelmäßigkeit. Sei`s drum. Da ich die Leistungsgesellschaft von ihrem Wesen her ablehne, und ich nicht den Mut habe auszusteigen, ergibt sich diese Positionierung quasi von selbst.

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