Dieser Kampf braucht keinen Sieger
Das Wochenende umklammert mich wie ein Ringer. Ich drehe mich auf den Bauch und versuche den Bodenkampf zu überstehen. Schließlich machte ich vor gut dreißig Jahren mal Judo bis zum blauen Gürtel. Und Karate bis zum braunen. Ich stieg damals aus, weil ich nicht kämpfen wollte. Ich habe nicht das Bedürfnis, einen Fremden auf die Matte zu legen oder mit einem Tritt in den Solar Plexus zu punkten. Das Training war aber schon gut für mein Selbstbewußtsein. Sowieso für meine Fitness.
Ich erinnere mich noch gerne an manche Trainingsstunden. Unter den Schülern waren auch die mit einer großen Klappe, die dann bald als Türsteher von Discos auf Macho machten. Doch auf der Matte waren wir alle gleich. Die meisten Großmäuler brachten es nicht mal bis zum gelben Gürtel.
Ich trainierte mit einem Türken. Bestimmt schaffte er noch den schwarzen. Er war ein toller Kamerad! (So lange her ...)
Wir trafen uns auch privat, joggten durch den Wald und übten die Schlag- und Tritttechniken für die nächste Gürtelprüfung. Ich glaube, wir waren gar nicht mal schlecht. Sonntags ging es zum freien Training ins Dojo. Es sind schöne Erinnerungen.
Ich begann damals das Trinken mit Berliner Weisse. Hin und wieder ein Moninger. Und ich hatte meine erste Freundin, meine ersten sexuellen Erfahrungen.
Wow!
Ehrlich. Wobei mich dummerweise die Schule immer weniger interessierte, obwohl ich noch ein Jahr zum Abi hatte.
Ich zehrte lange von dem erlangten Selbstbewußtsein, welches ich durch das Judo- und Karatetraining erlangt hatte. Ich brauchte es auch, denn nach dem Abi ging ich in einem miefigen Ingenieurbüro in die Lehre mit einem Arschloch als Chef. Danach arbeitete ich als Leiharbeiter. Und schließlich kamen 20 Monate Zivildienst ... Für mich war es eine Selbstverständlichkeit, dass ich verweigerte. Ich wollte (auch) nicht als Soldat kämpfen müssen - bloß weil von einer höheren Instanz ein Gegner/Feind festgelegt wird.
Trotzdem muss man im Leben das Kämpfen lernen. Es geht dabei nicht um das Besiegen eines anderen. Aber es geht darum, sich sein Selbstvertrauen zu bewahren. Ganz egal, ob die Eltern, die Chefs ... oder die gesamte Welt anderer Meinung ist.
Mein Weg lief alles andere als gerade. Es gab irgendwann keine Vorbilder mehr. Jedenfalls nicht in meiner Umgebung. Ich wußte immer, wie ich nicht werden wollte ..., hatte aber keinen Plan für meine Zukunft. Den habe ich bis heute nicht.
...
Die Sonne ruft. Ohne Handy. Durchs Fenster. Ich lächele ihr zu. Sie ist keine schlechte Gesprächspartnerin. Also, es wird Zeit, dass ich auf der Matte abklopfe und aufstehe - für diesen Tag!
bonanzaMARGOT
- 26. Mär. 11, 15:53
- Als Gebüsche noch Gebüsche waren