Sonntag, 13. April 2008

Ich träume, mein Wach-Sein ist eine Illusion

Heute Morgen träumte ich zu den Stimmen aus dem Fernsehen eigene Bilder und Geschichten. Solche Träume, die von einer Restwahrnehmung der Wirklichkeit beeinflusst werden, habe ich regelmäßig. Wie Regen der auf einen dichten Wald prasselt - einige Tropfen gelangen bis auf den Boden, während die Hauptlast von Blattwerk und Gestrüpp abgefangen wird. Könnte man, um dieses Bild beizubehalten, den Schlafenden unten am Waldboden wähnen, im Halbdunkel, während der Wache auf den Baumkronen hockte, im Licht des Tages und im Licht seiner Gedanken? Mir wollte es vorhin, als ich erwachte, so scheinen: Das Erwachen hob mich förmlich langsam empor wie einen Taucher aus der Düsternis der Tiefe, während mir der Schlaf die Schwere gegeben hatte, hinab zu sinken. Kaum war ich wach, schaffte sich meine Denkmaschine Platz und verblüffte mich sofort mit einer seltsamen Fragestellung: Wenn ich im Schlaf die Stimmen aus dem Fernsehen in meinen Träumen interpretiere - ist nicht die ganze Wirklichkeit, die wir wach wahrnehmen, lediglich eine Interpretation unseres Gehirns? Erträumen wir die Wirklichkeit nur? Gut, ich war doch noch nicht ganz wach, als ich mir diese Frage stellte. Ich rieb mir die Augen und fühlte mich noch nicht ganz emporgehoben ..., gleichwohl verließen mich diese Gedanken nicht mehr. Ich sitze darüber vorm Computer und rätsele. Mir kommen fast reflexartig die Bilder von Magritte in den Sinn. Vielleicht ist die Wirklichkeit nur ein "Klar-Traum" unseres Gehirns, welchen wir mit den Lebewesen teilen, deren Gehirne dem unseren ähnlich sind. Somit verschlafen wir unser ganzes Leben. Ist diese Vorstellung nicht köstlich? Der Tod würde dabei das Erwachen aus dem Leben bedeuten.
(Jetzt fallen mir auch noch die absurden Grafiken von M.C. Escher ein.) Ich träume, mein Wach-Sein ist eine Illusion. Ich lebe in einer Illusion, die darum wirklich ist, weil ich sie mit vielen anderen teile.
Und das ist vollkommen in Ordnung für unser Leben, wie es in Ordnung für das Leben anderer Kreaturen ist, die aufgrund ihrer Andersartigkeit in anderen Wirklichkeiten/Illusionen leben. Leben ist, sich die Wirklichkeit erträumen. Leben ist Interpretationssache.

Vor wenigen Tagen las ich von Walter Jens` Demenzerkrankung. Beruflich werde ich ständig mit der Demenz-Problematik konfrontiert. Ich versuche mir vorzustellen, wie die Welt dieser Menschen aussieht. Ihre Gehirne verabschieden sich aus unserer Wirklichkeit. Sie tauchen unerklärlich ab. Oft verschwindet damit auch der Mensch, den wir liebten und achteten. Können wir ihn noch erreichen? In welchen Träumen lebt er?

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