I`m a blind Man


Ich habe zwar ab und zu Probleme mit meinem Selbstwertgefühl, aber ich bin nicht plemplem.
Das ging mir spontan durch den Kopf, als ich vorhin auf dem Klo saß. Es verletzt mich, wenn man mir mangelndes Einfühlungsvermögen vorwirft. Ich weiß gut, dass ich nicht immer richtig liege mit meinen Einschätzungen. Drum lenke ich normalerweise ein, wenn verschiedene Ansichten aufeinanderprallen – nachdem ich meine Sichtweise (nochmal) in ruhigem Ton erklärte. Zum Kuschen bin ich nicht geboren. Auf der anderen Seite will ich nicht besserwisserisch auftreten. Ich weiß nicht, ob`s immer klappt. Sicher bin ich ein Dickkopf.
Also, ich weiß nicht, wie ich es erklären soll. Ich suche nach einem Bild. Ein Mensch macht mir zum Vorwurf, dass ich alles, was er sagt, ins Gegenteil verkehre. Dabei ist es nicht so. Ich schwöre! Ich bin doch nicht plemplem. Aber ich bin ziemlich verunsichert. Und als verunsicherter Mensch suche ich Schutz, ziehe mich zurück. Was bleibt in einer Diskussion noch zu sagen, wenn einem subargumentativ der Wind aus den Segeln genommen wird? Wir hören oder lesen halt oft nur das, was wir wollen.
Ich bewege mich im Nebel. Schritt für Schritt. Konturen erscheinen und verschwinden wieder. Ich finde eine Hand und sie löst sich wieder von der meinen. Ich rudere mit den Armen im Nebel herum. Es ist kein Spiel. Ich muss weitergehen. Immer weiter. Wo bist Du? Wo ist überhaupt irgendwas?
Wenn alles Schimären sind, kann ich mich genauso gut ins Bett legen und meinen Tod abwarten. Dazu höre ich Hard Rock – zum Beispiel die alten Deep Purple. Ich verliere die Orientierung und betäube mich. Es ist das Einzige, was ich kann. Ich sagte bereits, dass ich Probleme mit dem Selbstwertgefühl habe. Aber ich bin nicht plemplem.
Scheiße. Der Tag verdüstert sich. Der wuchtige alte Baum vor meinem Fenster raunt mir Dinge in seiner Sprache zu. Wir schauen uns einfach nur an. Was weiß ich schon vom Leben? Was weiß ich von den Gedanken anderer Menschen, von ihren Sehnsüchten? Der alte Baum weiß viel mehr als ich. Bestimmt wird sich der Himmel bald erleichtern, und ich muss auch wieder aufs Klo. Richtig düster ist es jetzt, am frühen Nachmittag. Und plötzlich ist es still ...

lost.in.thought - 30. Mai. 12, 16:57

Vielleicht ist dieser Mensch Dir nur sehr ähnlich. Und dann wird es manchmal schwierig.
Vielleicht lest ihr beide nur das, was ihr lesen wollt. Und dann gibt es Mißverständnisse.
Vielleicht sucht gerade dieser Mensch nach Deiner Hand.
Und Du mußt sie nur angreifen.

bonanzaMARGOT - 30. Mai. 12, 17:00

das ist ja das verrückte: manchmal erscheinen uns die menschen am fremdesten oder am fernsten, die uns eigentlich am nähesten stehen sollten.
lost.in.thought - 30. Mai. 12, 19:44

ja, es ist wirklich verrückt. Da steht der Mensch, der einem am nähesten ist, wirklich in der Nähe und man merkt es gar nicht, weil man so damit beschäftigt ist, sich diesen Menschen fremd und fern zu denken...
bonanzaMARGOT - 31. Mai. 12, 12:59

ich stelle mir das vor, als wären zwischen uns menschen membranen, die mal durchlässiger und mal undurchlässiger sind ...
und eine menge faktoren, die wir zum teil nicht steuern können, beeinflusst dies.

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